Das Geheimnis Des Amuletts
glaube, ja«, keuchte Velvet. Ich hoffte mit ganzem Herzen, dass sie es wirklich tat.
Agnes seufzte. Sie legte das Messer vorsichtig wieder an die Stelle neben den Talisman und das Siegel. Blut war an ihren Fingern. Sie stand auf und machte damit ein Zeichen auf Velvets Stirn. »Du bist vom Tod gezeichnet«, flüsterte sie. »Aber wenn die Stunde deines Todes kommt, denk an mich, Agnes Templeton, Dienerin des heiligen Feuers. Erinnere dich an mich …«, sagte sie, und ihr Bildnis begann zu verblassen. »Unsere Zeit ist vorüber, ich muss zurückkehren. Der Kreis zerbricht. Erinnere dich an mich …«
Sie verließ uns. »Warte, Agnes!«, rief ich. »Erzähl uns etwas über Laura – wo können wir sie finden? Wo ist das Auge der Zeit? Ich muss es wissen!«
»Sie ist in der Zeit verloren, zwischen Welten verloren wie Sarahs Volk … rufe sie aus ihrem tiefen Versteck hervor. Die Erde ist die Wiege der Zeit … und ihr Grab.«
Agnes war fort. Unser Kreis war zerbrochen. Velvet war geprüft und abgewiesen worden. Aber zumindest war Agnes in der Lage gewesen, uns etwas zu sagen. Verloren in der Zeit, verloren zwischen Welten, wie Sarahs Volk, hatte sie gesagt. Das konnte nur eines heißen. Wir mussten Laura an den dunklen, verborgenen Orten suchen, unter der Erde selbst.
Achtzehn
Zeugnis von Sarah Fitzalan
Verloren in der Zeit, verloren zwischen Welten, wie Sarahs Volk. Kaum hatte Agnes gesprochen, da wusste ich, dass sie von den Kinsfolk sprach.
Sie waren ein uraltes Volk, das in der Zeit gefangen und verflucht war, unfähig, zum Leben jenseits des Grabes weiterzuschreiten. Ich erinnerte mich, was Kundar, ihr Anführer, mir über ihre lange Qual gesagt hatte: Wir konnten nicht sterben und ins Land der Väter gelangen. Also schliefen wir in der Erde, gefangen zwischen dieser Welt und der nächsten.
Die Kinsfolk warteten auf das Ende der Zeit und die Neugestaltung aller Dinge, verbargen sich tief in den Höhlen unter den Moors vor der modernen Welt. Ich hatte die Krone der Blätter für sie errungen, und sie waren mein Volk, wie Agnes gesagt hatte. Ich wusste, dass sie uns helfen würden, wenn es ihnen möglich war.
Unsere erste Aufgabe bestand allerdings darin, Velvet zu trösten, die – hin und her gerissen zwischen Angst und Enttäuschung – weinte und zitterte. Sie hatte Mysterien berührt und gesehen und gehörte trotzdem immer noch nicht ganz dazu. Und was Agnes gesagt hatte – du bist vom Tod gezeichnet … war es wirklich nötig gewesen, Velvet das zu sagen? Zum ersten Mal stellte ich die Urteilsfähigkeit meiner geheimen Schwester in Frage. Wäre es nicht besser gewesen, Velvet in glücklicher Unwissenheit über die Gefahr zu lassen, in der sie sich befand? Aber dann sagte ich mir, dass Unwissenheit nicht das Gleiche war wie in Sicherheit zu sein.
Velvet und ich schliefen im selben Schlafsaal, und daher bot ich an, sie dorthin zu bringen und dafür zu sorgen, dass es ihr gut ging. Unserer anderen Kameradin im Schlafsaal, Ruby, erklärte ich, dass Velvet sich nicht wohl fühlte, und bat sie, ein Glas Wasser für sie zu holen. Auf diese Weise war sie ein paar Minuten aus dem Weg.
»Versuch, etwas zu schlafen«, sagte ich, als Ruby das Zimmer verlassen hatte und Velvet sich auf dem Bett zusammenrollte. Auf ihrer Stirn war ein Blutfleck, den ich wegwischte.
»Ich hatte nicht gedacht, dass es so sein würde«, murmelte Velvet. »Ich dachte, ich würde in der Lage sein, Beschwörungen und Magie zu weben und alle mit irgendwelchem coolen Zeug zu beeindrucken. Ich wollte anders sein, was Besonderes. Aber ich stehe unter irgendeinem Fluch, oder? Ich bin vom Tod gezeichnet.« Sie wirkte verängstigt und jung, wie sie so dalag. Ein junges Leben, das zum Tode verdammt war. Es wirkte so grausam. Ich wollte nicht, dass es so für sie war.
»Natürlich nicht«, sagte ich herzlich – zu herzlich. Ich wollte, dass Velvet sich besser fühlte, aber ich war mir nicht sicher, was ich sagen sollte. »Seien wir ehrlich, wir alle müssen eines Tages sterben.« Meine unbeholfenen Beschwichtigungsversuche klangen nicht gerade tröstlich. Ich versuchte es noch einmal. »Schau her, Velvet, du musst verstehen, dass der Tod nur das Tor ist, eine Art Anfang. Und Agnes hat gesagt, dass du Gaben hast, deren Benutzung du erlernen kannst. Mut und Stärke. Nicht alle haben das.«
»Sie hat auch Leben gesagt, oder nicht?«, murmelte Velvet. »Dass ich die Gabe des Lebens hätte.«
»Ja. Vergiss nicht, dass am Ende das Leben
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