Das Geheimnis Des Amuletts

schnappte nach Luft. »Agnes. Agnes, hilf uns.« Aber ich war einen Moment lang wie erstarrt. Ich konnte in alldem keinerlei Sinn erkennen. Dr. Franzen und meine Mutter waren irgendwie miteinander verbunden. Dr. Franzen und meine Mutter … Hatte sie gewusst, wer er war? Hatte sie gewusst, was er mir angetan hatte?
    »Tut, was ich sage!«, rief Dr. Franzen den erschrockenen Schülerinnen unwirsch zu.
    Ich machte einen Satz nach vorn und stürzte mich auf ihn. »Tun Sie ihnen nichts!«, rief ich. »Ich lasse nicht zu, dass Sie ihnen etwas tun!« Aber er war immer noch so stark wie früher. Er schleuderte mich zur Seite, und Miss Hetherington rief: »Aufhören! Dr. Franzen, lassen Sie die Mädchen ins Haus gehen, beenden Sie diesen Wahnsinn.«
    Dr. Franzen wandte sich ihr zu und lächelte langsam. »Sie wollen, dass es endet? Gern.« Er hob den Gehstock und deutete damit auf sie. Eine Zunge aus blauem Feuer schoss aus dem Stockende heraus. Mr. Brooke warf sich vor Miss Hetherington und wurde von dem Energiestoß mitten in die Brust getroffen. Er verharrte einen Moment in dieser Position, dann brach er auf dem Boden zusammen.
    Schweigen.
    Sämtliche Blicke richteten sich auf die Gestalt von Mr. Brooke. Miss Hetherington zitterte, als sie auf ihn hinunterstarrte. Dr. Franzen stupste den Musiklehrer mit dem Fuß an. »Er hat Glück«, sagte er. »Er ist tot. Der Nächste, der sich mir widersetzt, wird weniger Glück haben.«
    Jetzt brach die Hölle los. Überall schrien Mädchen, weinten und versuchten wegzulaufen. Ich sah, wie Evie von einer Gruppe entsetzter Schülerinnen niedergeschlagen wurde, die in ihrer Hysterie nur darauf aus waren wegzukommen. Niemand allerdings wagte es, den Kreis der furchterregenden Toten von Wyldcliffe zu durchbrechen.
    Die Priesterin richtete sich auf und rief: »Hört mir zu! Niemandem wird etwas geschehen, wenn ihr tut, was man euch sagt. Wir sind nicht euretwegen hier!« Sie drehte sich um und sah mich an, zwang mich mit ihrem Willen, ihrem Blick zu begegnen. »Du weißt, was wir wollen, Helen. Du bist es, die den Schlüssel des Schicksals deiner Freunde hier in den Händen hält. Komm zu uns, und wir werden sie gehen lassen.«
    »Nein!«, rief Sarah. »Helen, hör nicht auf sie.«
    »Sei still, Erdkind! Sie wird zuhören, und sie wird gehorchen. Wenn nicht, wird sie die Konsequenzen tragen müssen.«
    »Ich werde niemals wieder auf dich hören«, keuchte ich.
    »Na schön«, sagte sie. »Dann ist das hier dein Werk.«
    Dr. Franzen und die Schwestern der Dunkelheit lachten und heulten, als die Priesterin eine Peitsche aus Feuer aus der Luft griff. Während sie sich darauf vorbereitete, mit ihr auf die sich duckenden Schülerinnen einzuschlagen, hörte ich, wie eine Stimme nach mir rief.
    »Helen!« Es war Lynton. Mitten in der wogenden Masse von Körpern sah ich sein blasses Gesicht und seine strahlenden Augen. Eine Sekunde lang drückte er meine Hand; dann wurde er von Dr. Franzen zurückgezerrt, der zischte: »Was tust du hier? Schafft ihn weg!«
    Im nächsten Moment war Lynton von den Dunklen Schwestern umgeben, und Dr. Franzen verabreichte ihm einen wilden Hieb mit seinem Stock.
    »Schafft ihn von hier weg«, befahl er. »Er gehört nicht nach Wyldcliffe.« Die Frauen packten Lynton, der nur noch halb bei Bewusstsein war, und begannen ihn wegzuzerren. Sie wurden augenblicklich von der Menge verschluckt, während die Priesterin mit ihrer lodernden Peitsche um sich schlug; ich konnte nicht erkennen, wohin sie gingen. Überall herrschte nur noch Schmerz und Verwirrung und Kampf. Ein Kreis aus Flammen und Rauch wirbelte wie ein höllischer Tornado über der Ruine. Wildes Getrommel erklang, und die Schwestern der Toten gaben schreckliche, schnatternde Beschwörungen von sich. Die Mädchen um mich herum schrien alle, hielten sich Augen und Ohren zu und warfen sich vor Qual auf den Boden.
    Eine riesige Säule aus Rauch und Asche erhob sich über der Ruine der Kapelle. Mein Herz zog sich vor Verzweiflung zusammen, als ich einen Schatten in den wabernden Schwaden sah: das hochgewachsene Wrack eines einst bedeutenden Mannes mit einem auf schreckliche Weise schönen und stolzen Gesicht. Er trug eine stählerne Rüstung, und in seinen Augenhöhlen brannten Flammen. Die Priesterin warf sich ehrfurchtsvoll und huldigend zu Boden, und Dr. Franzen senkte den Kopf. Es war der Ewige König der Unbesiegten Lords, der niemals vergehen würde, bis die Erde selbst an ihrem Ende war oder bis eine größere