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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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sie, daß ganz Ruffano ihnen gehört.«
    »Es gehört uns ja auch«, wehrte sich einer, ich glaube Gerardo, »wir sind das frische Blut der Universität. Die andern zählen nicht.«
    »Das bilden Sie sich ein«, sagte die Signora, während sie mir Suppe schöpfte. »Aber ich habe das genaue Gegenteil gehört. Die Philologen und ihre Lehrer sehen in euch einen Haufen von Rowdies.« Sie zwinkerte mir verschmitzt zu, während ein zweiter Protestschrei ihre Bemerkung quittierte und die ganze Tafelrunde plötzlich in universitätspolitische Debatten ausbrach, die völlig über meinen Kopf hinweggingen. Ich aß und amüsierte mich. Dies war ein Ruffano, wie ich es nie gekannt hatte.
    Gino, mein Nachbar, setzte mir auseinander, daß die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, obwohl sie erst seit drei Jahren bestehe, ein blühendes Unternehmen und in der ganzen Gegend unglaublich populär sei. Von überall her drängten die jungen Leute zur Immatrikulation. Durch die Studiengebühren, die die WW-Studenten zusätzlich einbrachten, hatte die Universität mehr Geld zur Verfügung als je zuvor in ihrer langen Geschichte. Daher die Erweiterung der verschiedenen Gebäude und die neue Bibliothek.
    »Ohne uns hätten sie sich das nicht leisten können«, erklärte er leidenschaftlich, »und dann wollen die konkurrierenden Fakultäten, diese büffelnden Philologen und Kunsthistoriker, noch auf uns herabblicken und uns behandeln wie den letzten Dreck. Aber wir haben sie bereits zahlenmäßig überflügelt, und im nächsten Jahr werden sie überhaupt nichts mehr zu melden haben.«
    »Zu fünfzig Prozent sind doch nur Vorurteile und Snobismen im Spiel«, sagte Mario. »Sie kampieren alle oben auf dem Hügel und tun so, als sei die Universität ein geschlossenes College, während wir zum größten Teil in der Stadt verstreut wohnen und das auch gar nicht anders haben wollen. Ich sage Ihnen, diese Tage noch kommt es zum Krieg, und ich weiß genau, wer ihn gewinnen wird.«
    Caterina hatte die WW-Studenten ein munteres Völkchen genannt. Sie hatte offensichtlich recht. Ich fragte mich, nicht zum ersten Mal, warum Carla Raspa es in Ruffano langweilig fand.
    »Sie sehen, was los ist«, bemerkte mein Wirt, Signor Silvana, während die Studenten weiter debattieren, »diese Jungen haben nie einen Krieg erlebt. Sie brauchen ein Ventil. Der Konkurrenzkampf zwischen den Fakultäten ist so ein Ventil.«
    »Vielleicht«, sagte ich, »aber spricht dieser Kampf nicht für einen gewissen Mangel an Taktgefühl bei den Professoren?« Er wiegte den Kopf. »Der Präsident ist ein großartiger Mann«, sagte er, »es gibt niemanden in Ruffano, der mehr Hochachtung genießt als Professor Butali. Aber – Sie wissen ja – er ist krank.«
    »Ja, das hörte ich in der Bibliothek.«
    »Es heißt, daß er beinahe gestorben wäre. Aber inzwischen geht es ihm besser. Auch seine Frau, Signora Butali, ist sehr reizend, eine wirkliche Dame. Beide werden in höchstem Maße verehrt. Wenn der Präsident hier wäre, würde diese dumme Rivalität schnell aus der Welt geschafft sein. Im übrigen haben Sie recht. Ich gebe gerade den älteren Professoren einen großen Teil der Schuld, zumindest wird in der Stadtbehörde, wo ich arbeite, in diesem Sinn geurteilt. Der Direktor der Philosophischen Fakultät, Professor Rizzio, und auch seine Schwester, die das Studentinnenpensionat leitet, sind beide engherzig und störrisch und, vielleicht begreiflicherweise, eifersüchtig auf den WW-Direktor, Professor Elia, der das ist, was man einen Draufgänger nennt, eher zu selbstbewusst. Er kommt aus Mailand.«
    Während ich Signora Silvanas ausgezeichnetem Mahl alle Ehre antat, sagte ich mir, daß es sehr viel leichter sein mußte, eine Wagenladung von Touristen zu betreuen, als in einer Studentenstadt den Frieden aufrechtzuerhalten. In Turin hatte es meines Wissens so aufgeregte Gemüter nicht gegeben.
    Nach dem Essen zerstreute sich die kleine Gesellschaft. Die Studenten machten sich auf zur Piazza Matrice, während ich mich bei den Silvanas entschuldigte, die mich auf einen Kaffee und eine Zigarette ins Wohnzimmer bitten wollten. Sie waren beide lieb und nett, aber für diesen Abend hatte ich genug von Klatsch und Diskussionen.
    Ich stieg in mein Zimmer hinauf, um meinen Mantel zu holen, und verließ das Haus. Der Wagen stand immer noch vor dem Hause Nummer 5. Ich fragte mich, ob die Signorina wohl eine gute Köchin sei und ob sie erst zu Bett gingen und anschließend aßen, oder

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