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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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umgekehrt. Der Anblick des Wagens ließ mich vermuten, daß sich die Herren von der Philosophischen Fakultät wenig universitätspolitische Gedanken machten.
    Auf der Piazza Matrice spazierten nach wie vor die jungen Leute von Ruffano auf und ab, aber ihre Reihen hatten sich gelichtet. Wahrscheinlich waren viele ins Kino zu dem karibischen Film gewandert, während sich der Rest nach Hause verzogen hatte oder in zweckentsprechende dunkle Ecken. Ich ging am Hotel del Duchi vorbei und schlenderte die enge Via del Teatro hinab bis zu dem Punkt, wo sie sich über der Piazza del Mercato öffnet, die ein paar Dutzend Meter tiefer liegt. Hoch über mir schimmerte der Palazzo Ducale, dessen Zwillingstürme in den Himmel stießen.
    Als Kind war ich um diese Zeit immer schon im Bett gewesen. So hatte ich die Türme nie bei Nacht gesehen, ihre Schönheit und Anmut nie ganz erfasst. Die Silhouette glich einer phantastischen Theaterkulisse, die der auseinanderrauschende Vorhang plötzlich einem überraschten Publikum enthüllt. Auf den ersten Blick wirkte sie zerbrechlich, ätherisch. Der Schock kam später. Diese Mauern waren wirklich, und sie waren abweisend. Sie strahlten alle List der Festung aus, die ihre Stärke in ihrem Inneren birgt. Die Zwillingstürme, mit den rundherum laufenden Balustraden, schnitten wie geschliffene Messer in die Finsternis. Die Schönheit stach ins Auge, die Drohung war versteckt.
    Die Via delle Mura, die um die ganze Stadt herumläuft, lag sanft gewunden vor mir, während unmittelbar zu meiner Linken die Treppe aufstieg, die zum Palazzo führte und zur Oberstadt. Ich beschloß hinaufzugehen.
    Ich hatte eben den Fuß auf die erste Stufe gesetzt, als ich das Geräusch eiliger Schritte vernahm. Jemand kam die Treppe herab auf mich zugerannt. In rasender Flucht. Die Treppe fiel steil ab. Sie in diesem Tempo herabzustürmen hieß ein Unglück riskieren.
    »Geben Sie acht«, rief ich, »Sie werden fallen!«
    Der Laufende schoß aus der Dunkelheit, stolperte … Ich streckte den Arm aus, um den Fall zu bremsen. Es war ein junger Bursche, wohl ein Student. Während er sich loszureißen suchte, starrte er mich aus verstörten Augen voller Entsetzen an.
    »Nein«, keuchte er, »nein … Lassen Sie mich …«
    Überrascht lockerte ich meinen Griff. Aufschluchzend stürzte er davon, nahm die letzten Stufen und lief unten über die Via del Teatro, weiter, zur nächsten Treppe, die zur Piazza del Mercato abfiel. Der hohle Klang seiner klappernden Schritte hallte zu mir herauf. Vorsichtig, mit gespitzten Ohren, kletterte ich weiter. Die Treppe lag vollkommen im Dunkeln, nur hoch oben leuchtete eine einsame Laterne.
    Ich sah eine Gestalt ins Dunkel gleiten.
    »Ist da jemand?« rief ich.
    Keine Antwort. Ich stieg wachsam weiter und sah mich um, als ich oben angekommen war. Die Einfriedung des Palazzo Ducale befand sich rechts von mir, und der mir zunächst liegende der Zwillingstürme wirkte irgendwie unheilsschwanger.
    Ich bemerkte, daß die kleine Tür zu dem stets verschlossenen Hof zwischen den Türmen offen war. Jemand stand davor. Als ich mich näherte, verschwand die Gestalt: die Tür wurde behutsam zugezogen.
    Ich stieg weiter, vorbei an dem in Schweigen gehüllten Palazzo, bis ich in die Allee gelangte, die zum Dom und zur Piazza Maggiore führt. Der Anblick des verstörten jungen Menschen hatte mich beängstigt. Er hätte sich den Hals brechen können. Und dann die offene Tür, die reglose Gestalt – auch sie waren erschreckend gewesen, ich ging über die Piazza. Alles war still. Dann bog ich in die Seitenstraße ein, die in die Via del Sogni mündet, so wie ich es auch letzte Nacht getan hatte, in der gleichen Sehnsucht nach unserem alten Haus.
    Niemand war in der Nähe. Ich blieb einen Augenblick an der Mauer stehen und starrte das Haus an. Durch die Ritzen der Jalousien sickerte Licht aus dem Zimmer im ersten Stock, aber ich konnte kein Klavierspiel hören. Plötzlich vernahm ich Schritte, die die Straße herunterkamen, auf meiner Fährte sozusagen, vom Palazzo Ducale her. Instinktiv drückte ich mich hinter einen Mauervorsprung und wartete. Die Schritte, energische, zielbewusste Schritte, näherten sich. Das war niemand, der sein Vorhaben zu verbergen suchte, falls es ein Vorhaben gab.
    Hinter mir schlug die tiefe Glocke des Campanile zehn, Sekunden später gefolgt von den Glocken der entfernter liegenden Kirchen. Die Schritte verklangen. Sie verklangen an der Pforte, die in den Garten führte.

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