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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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her, da tötete das Volk von Ruffano seinen Herzog«, begann Aldo. »In den Reiseführern oder in der offiziellen Geschichtsschreibung der Zeit werdet ihr nichts darüber finden, wie sie ihn in den Tod getrieben haben. Ihr seht: Auch damals schritt die Zensur sein, um die Wahrheit zu verheimlichen. Ich spreche natürlich vom Claudio, dem ersten Herzog von Ruffano, genannt ›der Falke‹, den die Menschen verachteten und verfemten, weil sie ihn fürchteten. Warum fürchteten sie ihn? Weil er die Gabe hatte, ihre Gedanken zu lesen. Ihre schäbigen Lügen, ihre kleinen Betrügereien, ihre Konkurrenzkämpfe im täglichen Handel und Wandel – und die Ruffanesen waren immer nur bestrebt, sich auf Kosten der hungernden Landbevölkerung zu bereichern –, von alledem wußte er, und er verurteilte es. Sie verstanden nichts von Kunst, nichts von Kultur, und das zu einer Zeit, da eine neue Epoche heraufzog, die Epoche der Renaissance. Der Bischof und die Priester verbündeten sich mit dem Volk – womit ich die Händler meine, nicht die Armen –, um die Menschen in Unwissenheit zu halten, in einer nahezu tierischen Primitivität, und um den Herzog mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote standen, zugrunde zu richten.
    Der Herzog wollte junge, edle Männer an seinem Hof versammeln, wobei ihre Herkunft keine Rolle spielte, wenn sie nur intelligent und aufgeschlossen waren. Diese Männer sollten sich aufgrund ihres persönlichen Mutes, ihrer Waffengewandtheit und eines aufrichtigen Interesses für alle Formen der Kunst zu einer Elite entwickeln, die durch ihr Beispiel wie eine Fackel wirken würde, wie ein flammendes Vorbild für alle Herzogtümer im Lande.
    Die Kunst sollte unumschränkt regieren. Die Galerien sollten sich mit schönen Dingen füllen und mehr zählen als Bankhäuser, eine Bronzestatuette sollte schwerer wiegen als Ballen von Tuch. Zu diesem Zweck erhob der Herzog Steuern, die sich die Kaufleute zu zahlen weigerten. Er hielt Turniere und ritterliche Spiele an seinem Hofe ab, um seine jungen Gefolgsleute zu trainieren, und wurde von den Bürgern daraufhin überall als Wüstling verschrien.
    Fünfhundertfünfundzwanzig Jahre sind seither vergangen. Ich glaube, die Zeit ist gekommen, um den Herzog zu rehabilitieren, oder richtiger, sein Gedächtnis zu ehren. Durch die Abwesenheit des Präsidenten der Universität, Professor Butali, den ihr alle so hoch schätzt, ist es mir zugefallen, das diesjährige Festival zu arrangieren, und so habe ich aus den erwähnten Gründen beschlossen, den Aufstand der Stadt gegen ihren Herrn und Meister und ersten Herzog Claudio, genannt ›der Falke‹, zu inszenieren, der von seiner Zeit so tragisch mißverstanden worden ist.«
    Aldo machte eine Pause. Ich kannte diese Art von Pausen. Er hatte sie früher immer dann eingelegt, wenn er wußte, daß mein Interesse geweckt war, während wir nebeneinander im gemeinsamen Schlafzimmer lagen und er mir eine Geschichte erzählte.
    »Einige von euch«, fuhr er fort, »sind über diese Dinge unterrichtet. Wir haben schon eine Reihe von Proben hinter uns. Ihr müßt wissen, daß die ›Flucht des Falken‹ – das wird der Titel der diesjährigen Veranstaltung sein – noch nie aufgeführt worden ist und wohl auch nie wieder aufgeführt werden wird. Und ich möchte das Festival so haben, daß es in euer aller Herzen Leben gewinnt und einem jeden im Gedächtnis bleibt, daß es für immer Bestand hat. Was bisher auf unseren Festivals gezeigt worden ist, soll, verglichen mit diesem, ein Nichts sein. Ich möchte ein Schauspiel sondergleichen auf die Beine bringen und brauche daher mehr Freiwillige als je zuvor.«
    In den Reihen derer, die zu seinen Füßen saßen, erhob sich ein Gemurmel. Alle Hände flogen empor. Alle Gesichter, blaß im flackernden Lichtschein, waren ihm zugewandt und warteten gespannt auf seine Reaktion.
    »Wartet«, sagte er, »es werden nicht alle zugelassen. Ich wähle später diejenigen aus, die ich für geeignet halte. Es ist nämlich so …«
    Wieder machte er eine Pause, beugte sich vor und betrachtete prüfend die Gesichter vor ihm.
    »Ihr kennt meine Methode«, fuhr er fort, »wir haben sie im letzten und auch im Jahr zuvor angewandt. Es ist unerlässlich, daß jeder Freiwillige fest an seine Rolle glaubt, sich ganz und gar in sie hineindenkt. Diesmal werdet ihr die Höflinge im Palast des Falken spielen. Ihr werdet jener kleine Trupp von Männern sein, die dem Herzog rückhaltlos ergeben sind. Ihr, die

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