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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Meine Begleiterin wartete, bis der letzte Schritt verhallt war. Dann wandte sie sich mir lächelnd zu.
    Ich registrierte plötzlich eine gewisse Spannung zwischen uns, die nicht nur von ihrem Mund und ihren Augen ausging, sondern von ihrer ganzen Person.
    »Wir haben Glück«, sagte sie. »Ich habe zwei Einlaßkarten für die herzoglichen Gemächer. Ich habe sie dem Kunstdirektor persönlich abgebettelt. Es ist eine große Ehre. Er ist sehr unzugänglich.«
    Ich sah sie verblüfft an. Dies bedeutete eine unerwartete Wendung. Oder war ich meiner Sache zu sicher gewesen, was die Wahl ihres abendlichen Zeitvertreibs betraf?
    »Für die herzoglichen Gemächer?« wiederholte ich fragend. »Aber die kann man doch zu jeder Zeit besichtigen. Sie selbst schleusen ja tagtäglich ganze Studentengruppen hindurch.«
    Sie lachte und gab mir zu verstehen, daß sie eine Zigarette wollte. Ich beeilte mich, ihrem Wunsch zu entsprechen und gab ihr Feuer.
    »Am Abend ist es anders«, sagte sie. »Da haben Allerweltsbesucher keinen Zugang, auch keine Außenseiter. Es kommt niemand aus der Stadt oder von der Universität hinein, der nicht vom Direktor selbst eingeladen ist. Ich sage Ihnen, es ist eine Auszeichnung für uns.«
    Ich lächelte. Ihr Vorschlag paßte mir vorzüglich ins Programm. Was ihr als etwas ganz Besonderes erschien, hatte mein Vater früher Woche für Woche veranstaltet. Ich freute mich, daß wenigstens eine der alten vergessenen Gepflogenheiten überlebt hatte. Als Kind war ich hie und da, begleitet von Aldo oder meiner Mutter, dabei gewesen, wenn mein Vater im Freundeskreis die Besonderheiten eines Raumes oder eines Gemäldes erläuterte.
    »Wie wird sich die Sache denn abspielen?« fragte ich. »Steht unsereins etwa stillschweigend herum, während der Direktor irgendeine These vorträgt?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Genau das möchte ich eben brennend gern herausbekommen. Meiner Meinung nach werden wir an diesem Abend einen Vorgeschmack vom Festival bekommen.«
    Sie blickte auf die beiden Eintrittskarten in ihrer Hand. »Laut Einladung fängt es um halb acht an«, sagte sie, »aber ich denke, wir sollten ruhig schon hinaufgehen. Falls die Türen noch geschlossen sind, können wir in der Galerie so lange warten.«
    Es amüsierte mich, daß eine Einladung vom Direktor des Kunstrates einen derartigen Eindruck auf eine Universitätslehrerin machte, und noch dazu auf eine, die mit allen Wassern so gründlich gewaschen war wie Signorina Carla Raspa. Sie mußte auf einer sehr viel niedrigeren Stufe der hierarchischen Leiter stehen, als ich angenommen hatte. Ihre Reaktion erinnerte mich an die jener Touristen, die voller Stolz Karten für eine päpstliche Audienz im Vatikan vorweisen.
    Wir stiegen die Treppe zur Galerie hinauf.
    »Was hat es mit diesem Festival eigentlich genau auf sich?« fragte ich.
    »Es ist vor ein paar Jahren vom Präsidenten ins Leben gerufen worden«, antwortete sie. »Die Fakultät der Schönen Künste ist klein an unserer Universität und hat kein offizielles Oberhaupt. So hat er sie selbst in Verwaltung genommen. Er organisiert das Festival, zusammen mit dem Direktor des Kunstrats von Ruffano. Es hat einen unerhörten Erfolg gehabt. Sie wählen Themen aus der Geschichte, und die Studenten spielen entweder in den herzoglichen Gemächern oder im Innenhof oder im alten Theater unterhalb des Palazzo. Für das äußere Arrangement sorgt der Direktor des Kunstrats, und in diesem Jahr ist er ohnehin allein verantwortlich, weil der Präsident ja krank liegt.«
    Wir waren oben an der Treppe angelangt. Vor der geschlossenen Tür, die zum Thronsaal führte, wartete bereits eine kleine Schar von jungen Leuten, zweifellos Studenten. Die meisten waren männlichen Geschlechts. Sie unterhielten sich ruhig, beinahe nüchtern, und hatten nichts von der überschäumenden, etwas forcierten Fröhlichkeit, die ich in meiner Vorstellung mit einer Studentengruppe verband. Carla Raspa gab zwei oder dreien die Hand. Dann machte sie uns miteinander bekannt, erläuterte meine Funktion als Bibliothekassistent und stellte umgekehrt die Studenten mir vor: »Sie sind alle im dritten oder im vierten Jahr«, sagte sie. »Vor dem dritten Jahr bekommt niemand eine Einladung. Wie viele von Ihnen werden beim Festival mitwirken?«
    »Wir haben uns alle freiwillig gemeldet«, erwiderte einer der Studenten, ein Bursche mit zerzaustem Haar und Backenbart, den meine Freunde, die Pasquales, ohne Frage als Kunststudenten

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