Das Geheimnis Des Frühlings
befestigt, um den Innenraum zu beleuchten. Und ich musste zugeben, dass ich beeindruckt war. Mir fielen auf Anhieb drei Dinge auf.
Cosa uno: Dank irgendeiner seltsamen architektonischen
Magie wirkte das Bauwerk von innen sogar noch massiver als von außen.
Cosa due: Der Innenraum war riesig, kreisrund und mit Marmor ausgelegt. Darüber wölbte sich eine große Kuppel, und
Cosa tre: In dieser Kuppel prangte ein Loch, durch das man ein Stück Himmel und den vollen Mond deutlich sehen konnte.
Bruder Guido drehte sich unter diesem falschen Firmament hin und her, reckte den Hals zur Decke und bewunderte die Öffnung in der Kuppel.
»Das oculus«, erklärte Don Ferrante. »Es dient als Spiegel des Himmels.« Um den poetischen Effekt zu verstärken hob er die Stimme. Seine Höflinge scharten sich um ihn. »Dio Cassius sagte einst: >Dank seiner Kuppel gleicht das Pantheon dem Himmelsgewölbe selbst.<«
Meine Lippen kräuselten sich verächtlich. Er plapperte eindeutig nur nach, was er selbst erst vor einer knappen Stunde gelernt hatte, um bei seinem Hof Eindruck zu schinden.
»In der Tat«, fiel Bruder Guido enthusiastisch ein. »Das Pantheon ist ein Musterbeispiel für das römische Streben nach perfekter struktureller Einheit und philosophischer Harmonie.« Sein spontaner, vorher nicht geprobter (und für mich völlig unverständlicher) kleiner Vortrag erfüllten mich mit Stolz auf sein fundiertes Wissen, als wäre er mein ältester Sohn, stieß aber Don Ferrante ganz offensichtlich sauer auf.
»Ganz richtig, ganz richtig.«
Bruder Guido achtete nicht auf den verdrossenen Ton des Königs, sondern fuhr mit seiner Schwärmerei fort, dabei wandte er sich mal hierhin, mal dorthin, als wolle er die Kuppel über seinem Kopf im Geist ausmessen. »So wird die Halbkugel des Daches in dem Raum zwischen Decke und Marmorboden zu einem vollen Kugelkörper. Ein Wunder architektonischer Kunst.«
Don Ferrante war gezwungen, zuzustimmen oder seine
Unwissenheit einzugestehen. Er nickte weise. »Die heilige Geometrie des Kosmos.«
Das grenzte für Bruder Guido bereits an heidnisches Gerede. »Von Gott geschaffen, Majestät!«
Der König ließ ihm das durchgehen. »Und beachtet das pavimentum, Signore.« Dieses Wort war vor dem heutigen Abend mit Sicherheit noch nie über seine Lippen gekommen.
Aber er wurde sogleich in seine Schranken gewiesen. »Ah ja, im opus sectile-Stil, wie ich sehe.«
Damit hatte Bruder Guido sowohl mich als auch den König in Verwirrung gestürzt.
»Kreise innerhalb von Quadraten«, erläuterte er. »Laut Ptolemäus’ geografischer Abhandlungen ist es den Römern gelungen, den Kreis zu quadrieren.« Er lachte leise. Ich sah, dass der König in das Lachen einfiel und den Satz dann im Geiste wiederholte, wobei er dem allgegenwärtigen Santiago einen eisigen Blick zuwarf. Nun wusste ich auch, wer den Auftrag erhalten hatte, Informationen zusammenzutragen und den König für diesen Rundgang vorzubereiten. Zweifellos würde der Majordomus für die klaffenden Lücken in Don Ferrantes Wissensschatz zur Rechenschaft gezogen werden. Mein Mitleid mit ihm hielt sich jedoch in Grenzen.
Doch der König wetzte diese Scharte bald wieder aus, indem er mit einer endlosen, langweiligen Auflistung jeder Marmorart begann, die die verfluchten Römer für den Fußboden benutzt hatten. Eine Platte, die an eine Salamischeibe erinnerte, wurde als kaiserlicher Porphyr aus Ägypten bezeichnet, kleine Fliesen, die so rosig schimmerten wie porco-grasso- Pastete als dozimianischer Pavonazzetto aus Asien und größere Fliesen, die so gelblich glänzten, als habe sich jemand darauf übergeben, als numibischer Marmor aus Karthago. Und so weiter und so weiter. Ich hörte schon längst nicht mehr zu, wusste ich doch, dass Bruder Guido um eine passende Antwort nicht verlegen sein würde.
»Unglaublich«, sagte er dann auch prompt. »Eine in Marmor
festgehaltene Darstellung der Größe des Kaiserreiches. Das imperium-Konzept.«
Ich ersparte dem König die Schmach, um eine Erklärung bitten zu müssen. »Was soll denn das heißen?«
»Dieser Marmorboden versinnbildlicht, Entschuldigung, zeigt jeden Teil des römischen Reiches, von einem Rand zum anderen. Die Römer haben aus allen vier Ecken des von ihnen beherrschten Mittelmeerraumes Marmor hierhergeschafft. Diese Marmorarten stehen für die Eroberung von Ägypten, Asien, Karthago und Gallien. Es ist eine politische Aussage, gewissermaßen Propaganda in Porphyr.«
Jesu.
Versteht
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