Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
Vom Netzwerk:
zweifellos gekannt. Aber ihm war nichts anderes übrig geblieben, als nachzufragen, denn wenn er nicht um Mitternacht dort erschien, würde er mit Sicherheit auffliegen.
    Der König beugte sich vor. »Ich kann Euch den Ort nicht nennen, er ist nur für unsere Ohren bestimmt, nicht für die meines Gefolges. Euer Onkel hat Euch sicher davon erzählt. Nur so viel, um Eurem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen: unter der siebten Sonn’«, nuschelte er. »Ich werde Euch dort erwarten.««
    Mir schien es, als wären wir jetzt mit unserer Weisheit endgültig am Ende, aber wir konnten das Problem erst zu lösen versuchen, wenn der König fort war. Stumm verfolgten wir, wie die Nacht auch noch den Rest des Mondes verschlang, von dem jetzt nur noch ein daumennagelgroßer Span zu sehen war. Aus irgendeinem Grund brachte ich es nicht über mich, auch noch den Rest dieses freundlichen Planeten verschwinden zu sehen. Der Mond war in vielen Nächten mein Gefährte bei meinen Wanderungen durch Florenz gewesen, da ich den größten Teil meiner Arbeit im Schutz der Dunkelheit verrichtet hatte. Bruder Guido konnte sagen, was er wollte, ich wurde die Angst nicht los, er würde nie mehr zurückkommen. Also senkte ich den Kopf und blickte nach unten, und dieser Blick rettete mir das Leben.
    Im Pantheon herrschte fast völlige Finsternis, doch in der letzten Sekunde schwachen Mondlichts fiel mir eine hoch gewachsene Gestalt auf, die sich am Rand der wie gebannt den Mond beobachtenden Zuschauermenge herumdrückte. Sie war in die schwarzen Gewänder der Aussätzigen gehüllt und schien sich genau wie ich nicht für das Geschehen am Himmel zu interessieren, denn sie sah direkt zu mir herüber - mit Augen, die so silbrig schimmerten wie die Münzen, die
der Fährmann des Totenflusses von seinen Passagieren verlangte.
    Mir gefror das Blut in den Adern.
    Madonna.
    Das lepröse Schreckgespenst aus Neapel war hier.
    Im nächsten Moment wurde der gesamte Tempel in nachtschwarze Finsternis getaucht. Don Ferrante befahl, die Fackeln anzuzünden, während ich Bruder Guido am Ärmel packte und ihn mit einer Kraft, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie besaß, mit mir zerrte. Zwar konnte ich nichts sehen, aber ich wusste, dass sich der Säulenvorbau hinter uns befand, und zog den Mönch an den Wachposten vorbei in die Dunkelheit hinaus. Er folgte mir widerstandslos; er hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Ich zischte ihm zu, jetzt keine Fragen zu stellen, und blickte mich fortwährend um, während wir unbekannte Straßen entlangeilten. Meine Augen sagten mir, dass wir nicht verfolgt wurden. Der kurze Moment völliger Dunkelheit, den ich mir zunutze gemacht hatte, hatte ausgereicht, um den Aussätzigen abzuschütteln. Aber mein wild hämmerndes Herz beharrte darauf, dass es sich bei der unheimlichen Erscheinung um einen Geist oder ein todbringendes Phantom handeln musste, denn nur ein Geschöpf mit übernatürlichen Kräften hätte die Ruine von San Lorenzo Maggiore in Neapel lebend verlassen können. Das Bild des Fährmanns ließ mich nicht los. Ich spürte, dass der Aussätzige nicht ruhen würde, bis er uns über den Totenfluss gerudert hatte.
    Wir erreichten den Stadtrand, befanden uns also fast schon wieder auf der Via Appia. Wir mussten Halt machen, sonst würden wir bis nach Neapel zurückfliehen. Auf einer Grünfläche standen ein paar antike Säulen, zwischen denen ich einen dunklen Eingang ausmachte. Wir zwängten uns hindurch und stiegen in eine unterirdische Höhle mit unzähligen Gängen hinab. In der Unterwelt angelangt - eindeutig eine Art Gedenkstätte, denn in den muffigen Kammern und Gruften und den
gewundenen Gängen brannten unzählige Votivkerzen -, blieben wir stehen, um Atem zu schöpfen, und mir wurde klar, dass ich jetzt die Karten auf den Tisch legen und Bruder Guido erzählen musste, was ich gesehen hatte.

3
    Eine Weile lang hörte ich nur Wassertropfen auf den Steinboden fallen und das Zischen und Knistern der Kerzen in den Nischen dieses seltsamen unterirdischen Schreins. Bruder Guido brauchte Zeit, um zu verarbeiten, was ich ihm soeben gesagt hatte - dass uns der Aussätzige, der uns verfolgte, seit wir die Jagd nach Hinweisen zur Lösung des Rätsels aufgenommen hatten, noch immer auf den Fersen war; dass wir jetzt in größerer Gefahr schwebten als je zuvor.
    »Seid Ihr sicher? Seid Ihr ganz sicher, dass es sich um denselben Mann handelt? Den Aussätzigen, den Ihr in der Via Nilo gesehen habt, den

Weitere Kostenlose Bücher