Das Geheimnis Des Frühlings
»Vielleicht. Diese Fresken zeugen immerhin von dem tiefen Glauben derer, die sie gemalt haben. Hier könnt Ihr einen Blick in die Vergangenheit werfen.«
Ich betrachtete die Darstellungen der Brotlaibe, Fische, Engel und eines mild lächelnden Christus, der ein verlorenes Schaf auf seinen Schultern in Sicherheit brachte, mit einiger Skepsis. Doch dann fiel mein Blick auf ein Bild, das mein Herz schneller schlagen ließ.
»Hier«, zischte ich. »Ich glaube, wir sind hier wirklich richtig. Seht Euch das an!«
Ich deutete auf sieben grob umrissene Gestalten aus uralten Zeiten, die an einem runden Tisch saßen und darauf warteten, ihr Fasten zu brechen. Sieben.
»Ich weiß nicht...« Bruder Guido rieb sich den Nacken.
»Was wisst Ihr nicht?«, schnaubte ich gereizt. »Dieses Fresko zeigt sieben Personen. Die Sieben treffen sich hier, da bin ich mir ganz sicher. Die Kerzen brennen schon, alles ist vorbereitet! Unvorstellbar, dass wir durch einen bloßen Zufall
hierhergeraten sind - nur weil wir vor dem Aussätzigen geflohen sind!« (Den ich inzwischen fast vergessen hatte.)
Bruder Guido wirkte nicht überzeugt. »Das glaube ich nicht, Luciana. Zum einen zeigen diese alten Fresken häufig genau sieben Personen bei ihrem Abendmahl, zum anderen ist diese Gruft für einen Treffpunkt der Sieben zu... nun ja, zu stark mit Kirche und Glauben verbunden - ich sagte ja schon, dass es sich um einen Zufluchtsort verfolgter Christen handelt -, und wir sind übereingekommen, dass Don Ferrantes Rätsel, seine seltsamen Bemerkungen und sein Verhalten eindeutig auf einen Ort hindeuten, der mit dem heidnischen, antiken Rom zu tun hat.«
Meine Zuversicht schwand während seines kleinen Vortrags merklich, doch er war noch nicht fertig.
»Und zu guter Letzt: Wie groß ist die Chance, dass wir, selbst wenn Gott noch so wohlwollend auf uns herabblickt, ohne jegliche Hilfe auf Anhieb genau auf den Ort stoßen, den wir so verzweifelt suchen? Nein, nein, Luciana, das ist äußerst unwahrscheinlich.«
Ich trat frustriert gegen einen Stein, erreichte damit aber nur, dass ich mir den Zeh in meinem modischen, vorn spitz zulaufenden Stiefel schmerzhaft anstieß. Zähneknirschend musste ich zugeben, dass Bruder Guido recht hatte. Es wäre wirklich ein zu großer Zufall gewesen, wenn wir ohne eigenes Zutun auf den vereinbarten Treffpunkt gestoßen wären und Don Ferrante direkt nach uns in die Gruft spaziert käme. Und sogar jemandem, der auf dem Gebiet der Politik so unbedarft war wie ich, war klar, dass dieses barbarische Beinhaus Don Ferrantes aufgeblähtem Stolz nicht genügen würde. Seine Majestät würden einen pompöseren Treffpunkt wählen, wo er sich gebührend in Szene setzen konnte. Zur Hölle mit dem König von Neapel! Warum konnte er uns nicht in einfachem Toskanisch sagen, wo wir uns einfinden sollten? Ich wandte mich an Bruder Guido. »Warum zum Teufel musste er in Rätseln sprechen, statt uns klare Anweisungen zu geben?«
»Weil seine Höflinge immer in seiner Nähe sind und er ständig fürchten muss, belauscht zu werden. Denkt daran, dass er erst vor kurzem einen Aufstand seiner Barone niedergeschlagen und sich dadurch mit Sicherheit viele Feinde gemacht hat. Viele Angehörige seines Hofes würden sein Bündnis mit den Sieben und ihre Pläne, wie immer sie auch aussehen mögen, bestimmt nicht billigen, und einige von ihnen verfügen über große Macht und Einfluss. Sie könnten ihm so manchen Stein in den Weg legen, vor allem dann, wenn sie diejenigen warnen würden, gegen die sich die Sieben verschworen haben. Vergesst nicht, dass er nur ein einziges Mal ohne irgendwelche Verschleierungstaktiken von dieser Gruppe gesprochen hat, und zwar an dem Tag, an dem wir ihn und Santiago allein in der Intarsienkammer angetroffen haben. Nur bei dieser Gelegenheit hat er mich und sich selbst ganz offen als Mitglieder der Sieben bezeichnet.«
Ich starrte wie gebannt auf die sieben Figuren auf der Wand, die sich vor mehr als tausend Jahren dort zum Essen niedergesetzt hatten, während Bruder Guido fortfuhr.
»Und da ist noch etwas. Don Ferrante hat uns den Hinweis unter der siebten Sonne gegeben, aber mit keinem Wort erwähnt, dass auch alle sieben Verschwörer an dem Treffen teilnehmen. Wie könnten sie auch, wenn wenigstens einer mit Sicherheit fehlen wird?«
»Einer?«
»Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici, der Neffe Lorenzos des Prächtigen. Er wird garantiert in Florenz bleiben, um seine Hochzeit vorzubereiten.«
Ich seufzte
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