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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Namen Gottes oder Seines Sohnes die Todesstrafe. Aber der wahre Glaube zeigt sich in diesen Inschriften... seht Ihr? Vielleicht finden wir hier etwas, was uns weiterhilft.«
    »Glaubt Ihr?«
    »Es kann nicht schaden, nach Hinweisen zu suchen.« Er las mir die in den Stein eingekratzten lateinischen Buchstaben vor - krakelige, aber trotz der inzwischen verstrichenen Jahrhunderte erstaunlich gut erhaltene Buchstaben, ein letzter Liebesdienst für die Verstorbenen. »Hier ist ein Verweis auf die Zahl Sieben.«
    »Tatsächlich?« Ich trat zu ihm. »Auch auf die Sonne?«
    »Nein... Ich habe mich geirrt. Das sind Familiennamen, hier liegt ein Diakon namens Severus, und hier«, seine Stimme wurde weicher, »seine Tochter. Sie starb noch zu seinen Lebzeiten, eine weitere Sieben, wie ich anfangs dachte, aber jetzt sehe ich, dass sie nur nach ihrem Vater Severa genannt worden ist.« Er las in einem Ton, als würde er ein Gebet sprechen: »Der sterbliche Leib ist hier begraben, bis Er ihn wiederauferstehen lässt. Und der Herr, der Severas reine, keusche und auf ewig unverletzliche Seele zu sich gerufen hat, wird sie im Glanz Seines Ruhmes zurücksenden. Ihr waren neun Jahre, elf Monate und fünfzehn Tage auf dieser Welt vergönnt, ehe ihr Leben zu Ende ging.«
    Das Schicksal dieses Mädchens, das vor so langer Zeit gelebt hatte, berührte mich zutiefst, genau wie das des Vaters, der es genug geliebt hatte, um weinend in dieser dunklen Gruft zu stehen und im flackernden Licht einer Kerze Buchstaben
in den Stein zu kratzen, bis seine Finger bluteten. Wahrscheinlich hatte er an jedem Tag seines weiteren Lebens an sie gedacht, bis er viele Jahre später ebenfalls gestorben und in ihrem Grab beigesetzt worden war, sodass ihre Gebeine in einer ewigen Umarmung ruhten. Ich wünschte, ich hätte auch noch ein Elternteil, das mich so liebte. Eines Tages finde ich dich, Vero Madre, und du wirst mich in die Arme nehmen und fest an dich drücken. Diese kleine menschliche Tragödie erschütterte mich so stark, dass ich einen Moment lang keinen Ton herausbrachte. Ich erinnerte mich auch, dass Bruder Guido gleichfalls den einzigen Menschen verloren hatte, der ihm die Eltern ersetzt hatte, und ich war mir ziemlich sicher, dass keiner von uns beiden in diesem Augenblick an unsere Suche nach Hinweisen dachte. Ich warf meinem Freund einen mitfühlenden Blick zu, den er jedoch weder zur Kenntnis nahm noch benötigte, weil seine Gedanken in eine ganz andere Richtung schweiften.
    »Seht Ihr es jetzt? Hört Ihr ihre Stimmen über die Jahrhunderte hinweg? Hier erfahrt Ihr, wie die frühen Christen in einer Zeit, in der sie sich nicht offen zu ihrem Glauben bekennen durften, über den Tod und das Schicksal der Seele in der Ewigkeit dachten. Sogar damals glaubten sie fest daran, dass die Seele wiederauferstehen würde wie Lazarus und unser Herr Jesus. Jetzt versteht Ihr sicher, was ich vorhin gemeint habe - dies ist ein Friedhof, wo alles mehr vom Leben als vom Tod zeugt. Und wir können uns glücklich schätzen, denn wir leben in einer Zeit, in der wir nichts zu fürchten haben und unsere Religion nicht im Geheimen ausüben müssen.« Er strich mit dem Finger behutsam über die Inschriften. »Tatsächlich hat Seine Heiligkeit Papst Sixtus, den wir, so Gott will, morgen sehen werden, eine wundervolle Kapelle zum Ruhm des Herrn erbauen lassen, und er plant, die Peterskirche mit einer Kuppel versehen zu lassen, die sogar noch größer sein soll als die, die den Duomo in Eurer Heimat Florenz krönt.«

    Die Glocken der in der Nähe gelegenen Basilika läuteten zur Vesper, was mich daran erinnerte, dass uns die Zeit davonlief und wir gut daran täten, unsere Suche fortzusetzen. »Wenn wir uns an einem Ort befinden, an dem sich Menschen, die sich vor ihren Verfolgern verbergen mussten, heimlich getroffen haben, kann es dann nicht sein, dass wir durch puren Zufall unter dem richtigen Hügel gelandet sind?«
    »Das wäre möglich, aber ich halte es für eher unwahrscheinlich. Ich habe diesen Inschriften bislang noch nichts entnehmen können, was in irgendeinem Zusammenhang mit unserem Rätsel stehen könnte.«
    Ich blickte mich in der Hoffnung auf eine blitzartige Eingebung verzweifelt in der Gruft um und entdeckte Bilder an den Wänden, die mir zuvor gar nicht aufgefallen waren. »Vielleicht sollten wir diese Wandmalereien einmal genauer untersuchen. Schließlich war es ein Bild, mit dem alles begonnen hat.«
    Bruder Guido musterte die Wände nachdenklich.

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