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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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auf der Lippe und Augen, die in zwei verschiedene Richtungen blickten, mich aber trotzdem ständig zu beobachten schienen. Sie wurde mir als meine Kammerzofe vorgestellt, und tatsächlich tat sie alles, was ich ihr auftrug, wenn auch mit deutlich zur Schau getragenem Verdruss, der in mir den Wunsch auslöste, sie zu ohrfeigen. Es wäre mein Recht gewesen, meine Dienerin zu schlagen, wenn ich mit ihr unzufrieden war, aber ich wagte es nicht, denn sie mochte sich zwar als meine Zofe ausgeben, war aber in Wahrheit meine Gefängniswärterin, und wir beide wussten es. Ich bezweifelte nicht, dass alles, was ich sagte oder tat, sofort an meine Mutter weitergeleitet werden würde.
    Meine Tage verliefen ermüdend gleichförmig: Am späten Morgen eines jeden Tages wurde ich von einer ganzen Dienerschar gebadet und gekämmt, dann in kostbare grüne, goldene, saphirblaue oder rubinrote Gewänder gehüllt. Seide und Satin aus dem Osten, Samt und Taft aus dem Norden. Diese leuchtenden Farben wurden stets von einem langen schwarzen Überwurf verdeckt, der meine milchweiße Haut vorteilhaft zur Geltung bringen sollte. Nur wärmen tat mich dieser Mantel nicht, denn er war aus pergamentdünnem Stoff, und im Palast zog es an allen Ecken und Enden, sodass ich von morgens bis abends vor Kälte schlotterte. Auch sonst wurde ich so hergerichtet, wie es sich für eine junge Edelfrau ziemt: Weinmost und roter Ocker verliehen meinen blassen Wangen einen Hauch von Farbe, meine Augen wurden mit einem Kohlestift umrandet und meine Lider mit pulverisiertem Malachit geschminkt. Ich war an derartige Dinge nicht gewöhnt. Natürlich hatten auch wir Huren unsere kosmetischen Tricks gehabt, und ich hatte mir in Florenz auch manchmal an Festtagen die Lippen und Wangen mit Ochsenblut gefärbt, aber meistens darauf verzichtet, weil ich meinte, derlei nicht nötig zu haben. Jetzt fragte ich mich unwillkürlich, ob meine Mutter auch zu solchen Hilfsmitteln griff, um sich ihre jugendliche Erscheinung zu bewahren.

    Frisiert wurde ich von einem maurischen Mädchen namens Yassermin, die kein Toskanisch sprach, sich aber hervorragend darauf verstand, mein Haar zu kämmen - ihre schwarzen Finger schienen zu fliegen, wenn sie es flocht und Juwelen in meinen Locken befestigte, die mehr gekostet hatten als sie selbst. Sowie sie damit fertig war, wurde mein Haar mit einem schwarzen Schleier bedeckt, einem leichten Seidentuch, das von einer goldenen Krone gehalten wurde und bewirkten sollte, dass meine Haut ihre vornehme Blässe behielt. Dann wurden meine Arme mit goldenen Reifen geschmückt, und ein weißer Federfächer mit goldenem Griff baumelte von meinem Handgelenk herab. Die Glocke läutete viermal zur Viertelstunde, bis ich endlich mit meiner Toilette fertig war.
    Meine Mahlzeiten wurden mir auf einer silbernen Platte in meiner Kammer serviert. Ich verzehrte sie trübsinnig an meinem auf die Lagune hinausgehenden Fenster, beobachtete die Barken, Boote und Schiffe und wünschte mir verzweifelt, mit ihnen fortsegeln zu können. Sobald ich gegessen hatte, wurde ich in eine andere, mit Fresken ausgemalte Kammer gebracht; einen großen Raum, an dessen Wänden See- und Landkarten hingen. Hier fand mein Unterricht statt. Eine ganze Prozession von Lehrern fand sich täglich ein, um mich in allem zu unterweisen, was eine junge Dame wissen musste.
    Bruder Girolamo, ein ernster, schweigsamer Dominikaner, brachte mir das Lesen bei. Ich gab mir dabei große Mühe - nicht, weil ich mich vor ihm fürchtete, sondern weil ich mir im Herbarium von Santa Croce geschworen hatte, nie wieder in Verlegenheit zu geraten, nur weil ich die Bedeutung von Buchstaben nicht kannte. (Außerdem verfolgte ich meine eigenen Pläne, deren Ausführung weitgehend davon abhing, dass ich diese Kunst beherrschte - aber davon später.) Eine flämische Hausdame lehrte mich das Sticken... jeden Tag stach ich mir dabei in die Finger und schleuderte zum Entsetzen der mausähnlichen Dame den Stickrahmen wutentbrannt quer durch
den Raum. Ein junger, schmucker Franzose, Signore Albert, zeigte mir, wie man die neuesten pavanes vom Kontinent tanzte, woran ich großen Spaß fand. Insgeheim wunderte ich mich jedoch, dass meine Mutter, die so fest entschlossen war, mir eine neue Vergangenheit zu schaffen, mich ohne Anstandsdame mit dem Tanzlehrer allein ließ, der so lebhaft wie eine Marionette und geschmeidig wie ein Otter war, aber ich fand bald heraus, dass er in einem gewissen Punkt meinem teuren Verlobten

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