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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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er .
    Augenblicklich ging es mir besser. Er war noch immer hinreißend attraktiv und überragte bis auf den hoch gewachsenen Mönch direkt rechts von ihm alle seine Mitbrüder, doch unter seinen Augen lagen violette Schatten, und sein Kinn war mit Bartstoppeln übersät. Als er gähnte, wobei weiße Zähne und eine rosafarbene Zunge sichtbar wurden, sah ich, dass er sich noch nicht daran gewöhnt hatte, zu so früher Stunde aufstehen zu müssen. Der Tag eines Franziskaners begann gerade erst: mit Gebeten und Vigil um drei Uhr morgens, gefolgt von stündlichen weiteren Gebeten bis zur Komplet, dann folgte eine kurze Nachtruhe, ehe der Kreislauf von Neuem begann. Ganz sicher nicht nach meinem Geschmack, und nach seinem offenbar auch noch nicht. Diese kleine Schwäche ließ ihn menschlicher erscheinen und machte ihn mir sofort sympathischer. Während des gesamten endlos scheinenden Gottesdienstes
wandte ich den Blick nicht von ihm ab, denn ich wollte dem gekreuzigten Christus nicht noch einmal in die Augen sehen. Endlich verstummte der Gesang, und ein Mönch begann von einem Chorpult aus mit einem monotonen lateinischen Vortrag. Ein anderer schwenkte ein an einer Kette befestigtes Weihrauchfass. Der süßliche Duft des Weihrauchs, die leiernde Stimme des Mönches, das hin und her schwingende Fässchen und die späte Stunde verbündeten sich gegen mich. Meine Stirn sank auf den kühlen Stein der Balustrade. Ich hatte kein Auge mehr zugetan, seit ich aus Bembos Bett gekrochen war, was eine halbe Ewigkeit zurückzuliegen schien.
    Dann schlief ich ein.
    Ich wurde von lautem Rascheln und Scharren geweckt, als sich die Brüder alle zugleich erhoben, ihre Köpfe bedeckten und sich anschickten, die Kirche zu verlassen. Panikerfüllt hielt ich nach dem Gesicht meines Mönches Ausschau, aber alle hatten inzwischen ihre Kapuzen hochgeschlagen, und ich konnte ihre Züge nicht erkennen.
    Hölle und Verdammnis .
    Ich schoss aus meinem Versteck hervor und stürzte vor allen anderen in den Hof hinaus, hörte aber schon das Geräusch zahlreicher aus der Kirche schlurfender Füße. Mir blieben nur noch ein paar Sekunden. Was jetzt? Gerade noch rechtzeitig duckte ich mich in den dunklen Torbogen der Pazzi-Kapelle, versteckte mich hinter dem ersten Pfeiler und betete, dass sich niemand hierherverirrte, denn jetzt konnte ich aus dem Schutz der Dunkelheit heraus jeden vorbeikommenden Bruder deutlich sehen. Die ganze Kapelle roch neu, nach frisch behauenem Marmor, Holzpolitur und dem Kitt der Rundfenster, die wie blaue Augen auf mich hinabblickten. Seltsam, dass sie ausgerechnet von einer Familie gegründet worden war, die sich gegen die Medici verschworen hatte - den Pazzi, die die Väter unserer Stadt auf dem Gewissen hatten. Und ich selbst war jetzt keinen Deut besser als sie, denn auch an mir klebte florentinisches Blut. Meine Furcht kehrte mit Macht zurück, und
ich musste an mich halten, um nicht Hals über Kopf aus dieser schönen, friedlichen, von Mördern erbauten Kapelle zu flüchten. Aber ich zwang mich, bis hundert zu zählen, und dann kam er an mir vorbei, ganz nah und - danke, Vero Madre ! - alleine.
    Ich packte seinen Ärmel, zog ihn mit einer Kraft, die ich mir gar nicht zugetraut hätte, in das Innere der Kapelle und legte eine Hand über seinen Mund, damit er keinen Laut der Überraschung ausstoßen konnte.
    Seine Augen weiteten sich - blaue Rundfenster wie die über uns -, und erst als ich sah, dass er mich erkannt hatte, nahm ich die Hand von seinem Mund. Im selben Moment wurde mir klar, dass es ihm am liebsten wäre, wenn ich mich in Luft auflöste. Und ich konnte es ihm nicht verdenken. Wenn man ihn zu dieser Stunde mit einem leichten Mädchen wie mir hier ertappte, würde der Abt seinen Hintern schneller aus Santa Croce hinausbefördern, als man... nun, als man einmal kräftig rülpsen konnte.
    Bruder Guido della Torre strich seine Kutte glatt und rang um Fassung. Er musste sich zweimal räuspern, ehe er einen Ton herausbrachte, und auch dann glich seine Stimme noch einem heiseren Flüstern. »Signorina Vetra? Was tut Ihr denn hier?«
    Wenigstens erinnerte er sich an meinen Namen. Ich zögerte keine Sekunde. Schließlich war ich seit Sonnenuntergang unterwegs und hatte bei jedem Schritt über meine missliche Lage nachgegrübelt. Auf dem ganzen Weg von Bembos Haus hierher hatte ich mir überlegt, was ich zu Bruder Guido sagen sollte. Ich hatte sämtliche mir offen stehende Möglichkeiten - von absoluter Aufrichtigkeit

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