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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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fragte mich, ob es mir unter dem unbestechlichen Blick ihrer grünen Augen wohl gelingen würde, mich nicht durch irgendeine Unachtsamkeit zu verraten.
Aber als ich meine Mutter im Empfangssaal traf, trug sie weder ihre Maske noch ihre dicksohligen Schuhe. Sie war in ein cremefarbenes Spitzenhemd und einen ärmellosen Überwurf in ihrem Lieblingsgrün gehüllt, dessen Saum mit winzigen goldenen Löwen bestickt war. Auf Juwelen hatte sie ganz verzichtet, dafür waren ihre Kleider wie üblich von unschätzbarem Wert. Ich weiß nicht viel und verfüge über keine große Bildung, aber von Kleidern verstehe ich etwas. Die hauchzarte Spitze entstammte unzweifelhaft den geschickten Fingern der alten Frauen von Burano, und die goldene Löwenstickerei musste alleine Hunderte von Dukaten gekostet haben. Ihr Haar fiel ihr offen bis zur Taille hinab. Sie hatte ihr Gesicht nicht geschminkt, nur die Lippen mit einer Salbe eingerieben, sodass sie voll und natürlich rosa schimmerten, und ihre Lider waren mit demselben Glanz behandelt worden. Ihre Augen leuchteten so grün wie tiefes, tiefes Wasser. Sie sah nicht älter aus als fünfzehn. Und da erkannte ich, dass meine ganze prunkvolle Aufmachung, die Fassade von Vornehmheit, die ich mir zugelegt hatte, niemanden täuschen konnte - meine Mutter war und blieb die einzig wahre Venus dieses Meeresstaates. Doch als sie lächelte, wirkte sie mit einem Mal sterblich und freundlicher, als ich sie je erlebt hatte. Einen Moment lang durchzuckte mich ein scharfer Schmerz. Ich würde meine Vero Madre erneut verlieren, nachdem ich so viele Jahre lang davon besessen gewesen war, sie zu finden.
    Sie nahm meine Hand. »Komm«, sagte sie. »Heute befassen wir uns mit der wichtigsten Lektion von allen. Wir beschäftigen uns mit der Justiz - meiner venezianischen Justiz.«
    Die Worte standen in einem seltsamen Kontrast zu ihrer unschuldigen Erscheinung.
    Irgendwo tief in meinem Inneren begann eine Alarmglocke zu läuten.
    Sie führte mich durch die unzähligen Gänge in das Allerheiligste des Palastes - ein Labyrinth aus Arbeitszimmern und Verbindungsgängen zu den öffentlichen Räumen des Gebäudes.
Die Macht und Ausstrahlung der Dogaressa waren so groß, dass sämtliche Dienstboten alles stehen und liegen lieϐen und sich hastig entfernten, um uns nicht zu stören, sowie sie uns kommen sahen. Endlich gelangten wir zu vier dunkel getäfelten Vorzimmern, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. In die Wand einer dieser Kammern war ein Löwenkopf mit einem weit aufklaffenden Maul eingelassen, das weiß Gott wohin führte. Nackte Furcht würgte mich in der Kehle - jetzt sah ich mich der Kreatur, die ich so fürchtete, von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
    » Il Bocca di Leone«, verkündete meine Mutter. »Das Löwenmaul. Hier werden politische Verräter denunziert, und zwar schriftlich - die Beschuldigungen werden niedergeschrieben und in dieses Maul geworfen, wo sie auf der anderen Seite in Empfang genommen werden. Unser Rechtssystem basiert auf derartigen Informationen.«
    Das Herz schlug mir bis zum Hals, als mir klar wurde, dass der Leidensweg all derer, die in den Zellen unter und über uns schmachteten, hier seinen Anfang gemacht hatte. Hier waren sie von Freunden, Rivalen oder neidischen Geschäftspartnern angezeigt worden.
    Ich musste mich zweimal räuspern, bevor mir meine Stimme wieder gehorchte. »Kann ein... solches System... nicht sehr leicht missbraucht werden?«, stammelte ich. »Ich meine... Wird es nicht auch genutzt, um... um sich an anderen zu rächen?«
    Meine Mutter zuckte nur die Achseln. »Manchmal sicher. Na und? In jedem Fall entspricht die Strafe der Schwere der Schuld, und allen Anklagen haftet ein Körnchen Wahrheit an.«
    Ich schluckte hart.
    »Du wirst es mir verzeihen, meine liebe Luciana, wenn wir jetzt einen Teil unseres früheren Ausfluges wiederholen«, fuhr sie fort. »Ein guter Lehrer lässt seine Schüler ja auch die gelernten Lektionen noch einmal aufsagen, damit sie sie sich besser einprägen, nicht wahr?« Ein Blick aus grünen Augen
traf mich, und ich musste den Kopf senken - ich war auf einmal felsenfest davon überzeugt, dass sie von Signore Cristoforo sprach. »Daher werde ich mich nicht entschuldigen, sondern dir nur versichern, dass du dich ganz bestimmt nicht langweilen wirst.«
    Wieder gingen wir durch die dunkel getäfelten Kammern zu der kleinen Tür in der Wand. Ich wusste jetzt, was unser Ziel war. Doch tief in meinem Inneren hatte ich es wohl von

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