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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Ehrfurcht als vor dem kalten Fisch Sigismund.
    Cosa tre : Er trug den goldenen Ring mit den palle an seinem linken Daumen. Aber dieser Anblick überraschte mich schon lange nicht mehr.
    Ich wartete auf Anweisungen, während meine Mutter mit dem Herrscher von Mailand Höflichkeitsfloskeln austauschte. Den weiteren Ablauf der Dinge konnte ich mir inzwischen vorstellen: Freut mich, Euch kennenzulernen, man wird Euch gleich Eure Kammer zeigen, wir sehen uns heute Abend bei einem Festmahl.
    Aber diesmal war alles anders. Ich wurde nicht zu den Gebäuden hinter dem Graben gebracht, die eindeutig den Hof beherbergten, sondern zur Brustwehr eines der Türme. Die Kammer, die mir zugewiesen wurde, enthielt nur einen Klappstuhl, eine Strohpritsche statt eines Bettes, eine Zunderbüchse und ein paar Kerzen. Ein Fenster gab es nicht, nur eine zugige Schießscharte.
    Ich befand mich in einer Zelle.
    Fest davon überzeugt, dass es sich um einen Irrtum handelte, fuhr ich herum, doch in diesem Moment wurde mir die schwere Eichenholztür vor der Nase zugeschlagen, und ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Es gab keinen Zweifel. Ich war eine Gefangene.
    Verdammter Mist.
    Nun ja. Dies hier war meilenweit entfernt von dem luxuriösen Hof, von dem mir meine zahlreichen mailändischen Kunden im Laufe der Jahre berichtet hatten. Warum hatte sich das Schicksal so plötzlich gegen mich gewandt? In Bozen war meine Unterkunft kärglich, aber zumindest halbwegs komfortabel und meinem Rang entsprechend gewesen. Hatte meine Mutter dem mailändischen Herzog während ihres kurzen Gesprächs den Verdacht anvertraut, den sie gegen mich hegte? Wieso war sie so sicher, dass ich sie auf irgendeine Weise hintergangen hatte? Sonst hätte sie mich ja wohl kaum in diese
Zelle sperren lassen. Ich begann sogar Marta zu vermissen; Marta, die die Kutsche irgendwo in der Lombardei abrupt verlassen hatte. Ich musste an die tiefen tödlichen Glasseen mit ihrem vergifteten Wasser denken und fragte mich, ob sie in einem davon versenkt worden war; mit Gewichten beschwert, um auf dem Grund zu tanzen wie die Toten in der venezianischen Lagune. Aber vielleicht war sie ja auch nach Venedig zurückgekehrt und hatte ihre Liebschaft mit dem Küchenjungen wiederaufgenommen. Trotz ihres Verhaltens mir gegenüber hoffte ich auf Letzteres. Ich wusste um das Ausmaß der Rachsucht meiner Mutter - sie hatte eine Schlappe einstecken müssen; etwas, was sie nicht verzieh. Ihr war an dem Tag in der Kutsche klar geworden, dass Marta ihren Bewacherpflichten nicht zu ihrer Zufriedenheit nachgekommen war, und daher nahm sie jetzt zu professioneller Hilfe Zuflucht. Ein bewaffneter Soldat - zweifellos einer von denen, die ich im Hof gesehen hatte - schritt vor meiner Zelle auf und ab, ich hörte die Spitze seines Schwertes an meiner Tür kratzen. Wie es schien, wurde die Wache alle zwei Stunden abgelöst. Ich wusste weder ein noch aus. Wie sollte sich Bruder Guido jetzt mit mir in Verbindung setzen? Zwischen ihm und mir lagen eine verriegelte Tür und ein bewaffneter Wachposten. Ich hörte, wie die Wache ein, zwei Mal abgelöst wurde, aber niemand kam zu mir herein. Man brachte mir weder etwas zu essen noch Wasser oder Wein, und mein knurrender Magen erinnerte mich schon bald an die grässliche Geschichte von Bruder Guidos Vorfahren, die im Muda-Turm ausgehungert worden waren, bis sie sich gegenseitig verspeist hatten. Außer dem Blick aus dem Fenster hatte ich auch keinerlei Möglichkeit, mich abzulenken. Ich wagte weder, das Bild aus meinem Mieder noch die Holzrolle aus meinem Ärmel zu ziehen, weil jederzeit jemand unverhofft hier hereinplatzen konnte. Also musste ich mich damit begnügen, durch die Schießscharte das kleine dahinter sichtbare Stückchen Stadt zu betrachten. Der Wind brannte in meinen Augen und pfiff und stöhnte im Einklang mit dem Stampfen
der Soldatenstiefel vor meiner Tür durch die Zelle. Ich war in einer Orgelpfeife gefangen.
    Nach dem dritten Wachwechsel klopfte es, und ein stämmiger Soldat trat in Begleitung eines Kadetten in den Raum.
    »Signorina.« Es klang, als seien ihm solche höflichen Anredeformen fremd. »Ich bedauere, Euch zu stören, aber auf Befehl von Il Moro müsst Ihr durchsucht werden.«
    Madonna .
    Ich nahm an, Il Moro war der Spitzname seines Herrn, aber ich wusste, dass der Befehl in Wirklichkeit von meiner Mutter kam, und berief mich nun verzweifelt auf sie. »Aber ich muss doch sehr bitten! Ich bin die Tochter der Dogaressa!«
    Er

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