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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Sorgen machen, dass meine Mutter ihn wiedererkennen könnte, es fiel mir ja selbst schwer. Ich schluckte hart. »Haben sie dir... Haben sie dir etwas zuleide getan?« Ich brauchte nicht zu erklären, was ich meinte.
    »Ein wenig. Sie fragten mich tage- und wochenlang nach dem cartone, und ich gab ihnen immer dieselbe Antwort. Es wäre sinnlos gewesen zu leugnen, dass wir ihn hatten, das wusste ich - ich sagte, er sei beim Untergang des Flaggschiffs der Muda verloren gegangen, und am Ende mussten sie mir glauben, denn ich wich nicht von meiner Geschichte ab. Sie wagten nicht, mich zu sehr zu foltern, sie mussten mich ja eine Zeit lang am Leben halten.« Dazu gab es nichts zu sagen. »Aber sie ließen mich hungern, im Dunkeln sitzen und gaben mir nur wenig Wasser. So wartete ich monatelang auf meinen Prozess.«
    »So lange?«
    Seine Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. »In der toskanischen Politik ändern sich die Dinge schnell. Der Wurm ganz unten im Misthaufen kann am nächsten Tag der König sein. Meine Vermutung geht dahin, dass Lorenzo mich am Leben ließ, um mich als Druckmittel gegen Niccolo zu verwenden - ihm damit zu drohen, ihn durch einen anderen noch lebenden Erben zu ersetzen, falls er sich nicht als gehorsames Mitglied der Sieben erweisen, in Signore Silvios Fußstapfen treten und dafür sorgen würde, dass Pisa dem Bündnis beitritt. Sie nahmen mir den Ring meines Onkels ab.« Er hob seinen linken Daumen. Dort, wo der Goldreif gesessen hatte, verlief jetzt nur ein schmales Band weißer Haut. »Ich nehme an, er steckt jetzt an Niccolos Hand.«
    Ich überlegte kurz. Bruder Guido war der Wahrheit sehr nahe gekommen, aber ich kannte noch eine andere Seite der Geschichte. Niccolo war gezwungen worden, mich erneut als seine Verlobte zu akzeptieren, und eine ehemalige Dirne, die mit seinem Vetter kreuz und quer über die Halbinsel gezogen war, war keine erstrebenswerte Ehefrau, auch wenn sie noch
so hübsch war. Aber als Tochter der Dogaressa bildete ich ein wichtiges Glied in der Machtkette der Sieben. Und während ich in Venedig ein gutes Leben geführt hatte, hatte Bruder Guido im Dunkeln dahinvegetieren und von brackigem Wasser leben müssen. Heiße Scham stieg in mir auf.
    »Warst du allein? Im Gefängnis, meine ich.«
    »Zuerst nicht, da haben sie mich in eine Sammelzelle gesteckt, zusammen mit allem Abschaum, den das Bargello zu bieten hatte. Aber das war nicht so schlimm, fast wie im Kloster, denn unter den Geistlichen wimmelte es auch von Päderasten und Kriminellen, also fühlte ich mich beinahe wie zu Hause. Der einzige Unterschied bestand darin, dass diese Halunken auf ihre Weise ehrlich waren, sie standen zu dem, was sie getan hatten, und gaben nicht vor, fromm zu sein, während sie jedes einzelne Gebot bedenkenlos übertraten.«
    Mir wurde klar, dass die Zeit im Gefängnis Bruder Guido weder seiner Redegewandtheit beraubt noch ihn zu seinem Gott zurückgeführt hatte. Ich war davon ausgegangen, dass er sich wieder dem Herrn zuwenden würde, um bei Ihm Trost zu finden, aber er schien für die Kirche noch immer nichts als Verachtung übrig zu haben.
    »Du darfst sie nicht durch die Bank verdammen. Zumindest einer dort hat sich als dein Freund erwiesen - und als meiner auch, denn er hat mir geschrieben und mir von deinem Schicksal berichtet.«
    »Aye. Bruder Nikodemus muss ich ausnehmen. Er war mir ein besserer Freund, als du ahnst. Und ein schlechterer. Er verschaffte mir meine Freiheit, und er machte mich zum Mörder.« Er sah mich gequält an.
    »Wie meinst du das?«
    »Als du dir damals im Herbarium von Santa Croce ein Kleid für die Medici-Hochzeit ausgesucht hast...«
    Ich erinnerte mich an diesen denkwürdigen Tag. Er schien Jahre zurückzuliegen.
    »Während du hinter dem Ofenschirm standest, zog Bruder
Nikodemus ein Kraut aus seinem Bündel und drückte es mir in die Hand. Es war Belladonna. Für den Fall, dass etwas... schiefgehen sollte.«
    Ich kannte die Pflanze. Jeder kannte sie; sie war tödlich giftig. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Natürlich nicht. Ich versteckte es in meinem Schuh, da haben die Wärter nie gesucht.« Er rieb sich den Nacken. Die vertraute Geste entlockte mir ein Lächeln. »Jeden Tag nahm ich es heraus und betrachtete es. Jeden Tag sagte ich mir, wenn ich diesen Tag überstehe, nehme ich es morgen. Und am nächsten Tag sagte ich dasselbe. So schob ich das Ende fast sechs Monate lang vor mir her.«
    Wieder

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