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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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zeigen?«
    »Das, worum es hier geht.« Er lächelte leise. »Das Bild.«
    Ich setzte mich wieder und zog die zusammengerollte Leinwand
aus meinem Mieder. Sie war warm von meinen Brüsten und wies ein paar Schweißflecken auf, was mir eine leichte Röte in die Wangen trieb. Aber Bruder Guido schien das nicht zu bemerken. Er entrollte das Bild behutsam mit seinen langen, von Tinte verfärbten Fingern, die ganz eindeutig daran gewöhnt waren, mit kostbaren Dokumenten umzugehen. Mein Blick ruhte jedoch nicht auf dem Bild, sondern auf seinem Gesicht, als er Flora, Venus, das anmutige Tänzerinnentrio, die kriegerische Gestalt mit dem Schwert und den all dies umfassenden Orangenhain lange betrachtete. Seine Züge nahmen einen Ausdruck an, der an religiöse Verzückung erinnerte. So ungefähr musste der heilige Paulus auf der Straße nach Damaskus ausgesehen haben. Einmal mehr konnte ich nicht umhin, mir ihn in meinem Bett vorzustellen. (Bruder Guido, meine ich, nicht den heiligen Paulus. Ich kenne zwar nicht viele Stellen aus der Bibel, bin aber dennoch überzeugt, dass der Apostel meinen Reizen nicht erlegen wäre.) Dann drehte er sich um und sah mir erstmals im Laufe dieser Nacht mit seinen erstaunlich blauen Augen voll ins Gesicht.
    »Wunderschön«, sagte er. Sein Blick wanderte auf das Bild in seiner Hand, dann zu dem unter uns liegenden Florenz, dann wieder zu dem Bild. »Wobei ich nicht sagen könnte, was denn nun schöner ist.«

8
    Selbst ich musste zugeben, dass das Franziskanerkloster von Fiesole ein Ort des Friedens und der Schönheit war. Klein und perfekt auf dem Hügel thronend, schien es ein in Bernstein konserviertes früheres Zeitalter zu verkörpern. Wir waren in Dantes Hölle gewesen, nun erklommen wir die Höhen zu dem Paradies des Dichters. Es ist nicht übertrieben, wenn ich
behaupte, noch nie in meinem Leben so froh gewesen zu sein, einen Ort zu erblicken. Als wir den Fuß der breiten Treppe erreichten und die Heilkraft der Sonne, die die hundert Steinstufen wärmte, wie Balsam auf meine geschundenen Füße wirkte, umfasste ich das hübsche kleine Kloster, die Kapelle und die sich darunter befindlichen Zellen mit einem dankbaren Blick und verlieh meiner Erleichterung auf meine Weise Ausdruck. »Bin ich froh, dass wir heil hier angekommen sind. Beinahe hätte uns der Teufel am Arsch gehabt.«
    Bruder Guido tadelte mich prompt mit eisiger Stimme: »Hütet Eure Zunge, Signorina. Ihr befindet Euch jetzt im Hause Gottes.«
    »Ich bin sicher, er hat so etwas schon öfter gehört.« Mein respektloses Naturell gewann einmal mehr die Oberhand, weil ich mich sicherer zu fühlen begann. Bruder Guido dagegen schien immer nervöser zu werden, je näher die Unterredung mit seinem Freund, dem Abt, rückte. Ich zweifelte plötzlich daran, dass er wirklich über so viel Einfluss verfügte, wie er angedeutet hatte. Warum sollte er sich davor fürchten, eine Bitte an einen Mann zu richten, den er gut zu kennen behauptete?
    Das Kloster schien verlassen, und ich wusste, dass wir wie schon einmal zuvor zu einer Zeit gekommen waren, da alle Mönche entweder in ihren Zellen schliefen oder sich wie die Sardinen zusammengepfercht in der Klosterkirche drängten. (Da ich von Nonnen aufgezogen wurde, weiß ich natürlich einiges über die in religiösen Orden herrschenden Regeln, aber jetzt bleibt mir keine Zeit, näher darauf einzugehen. Später mehr dazu.)
    Endlich sahen wir einen Bruder über den Hof eilen, und mir wurde klar, dass unser großer Augenblick gekommen war. Bruder Guido umklammerte meinen Arm, bis er schmerzte. »Kopf gesenkt halten und nicht sprechen«, wies er mich an. »Vergesst nicht, was wir besprochen haben.« Und mit diesen Worten schritt er über das taufeuchte Gras, um den Mönch abzufangen. Nach einer kurzen Unterredung wurde mir bedeutet,
mich zu ihnen zu gesellen, und der Franziskaner führte uns durch einen Torbogen in einen noch kleineren, aber ebenso hübsch angelegten Hof, der mit einem klaren Teich prunkte, in dem sich Myriaden goldener Fische tummelten. Vor einer Tür aus Eichenholz blieben wir stehen, der Laienbruder klopfte an und trat vor uns ein. Ich drückte das Kinn auf die Brust, wie Bruder Guido es mir eingeschärft hatte, und zog meine Kapuze so tief herunter, dass ich den Laienbruder nicht mehr sehen konnte; ich hörte ihn nur mit sizilianischem Akzent sagen: »Der ehrwürdige Vater Abt wird Euch jetzt empfangen.«
    Weisungsgemäß hielt ich mich an Bruder Guidos Kutte fest und

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