Das Geheimnis Des Frühlings
nicht besser, reinen Tisch zu machen und den Abt um Hilfe zu bitten?«
»Das Kirchenasyl ist nicht mehr das, was es einmal war«, erwiderte Bruder Guido betrübt. »Ihr wisst ja selbst, dass Guiliano, die Blume der Medici, von den teuflischen Pazzi im Dom niedergemetzelt wurde.«
Ah ja, da fällt mir etwas ein. Ich sagte, ich würde euch von den Pazzis erzählen, nicht wahr? Die Pazzis, in deren Kapelle in Santa Croce ich vor kurzem Schutz gesucht hatte, hatten Guiliano de’ Medici in Stücke gehackt, während er in Santa Maria del Fiore die Messe besuchte. Es heißt, sie hätten neunundzwanzigmal auf ihn eingestochen und dann auf seinen Kopf eingedroschen, bis er platzte wie eine Melone.
»Nun«, räumte ich matt ein, »vielleicht können wir - Ihr wisst schon... ihnen - alles erklären.«
Er begann, sichtlich erregt in dem kleinen Raum auf und ab zu gehen. »Wem denn? Wir wissen ja nicht einmal, wer Euch aufzuspüren versucht. Wie könnten wir uns je wieder sicher fühlen? Wie könnten wir nach Florenz zurückkehren, ohne ständig um unser Leben fürchten zu müssen? Jeder Schritt hinter uns könnte der eines Attentäters sein, jede Mahlzeit vergiftet, und jederzeit könnte sich ein Messer in unseren Rücken bohren.«
Ich dachte darüber nach. Bruder Guido hatte ein ziemlich düsteres Bild von unserer Zukunft gezeichnet, und das Leben, das er beschrieb, wollte ich wirklich nicht führen. »Was sollen wir denn dann tun?«
»Wir müssen den einzigen Vorteil nutzen, den wir haben.«
Mir kam es nicht so vor, als hätten wir irgendeinen Vorteil. »Und der wäre?«
»Sie haben Angst vor uns.«
Ich lachte bellend auf. » Sie haben Angst vor uns ?«, wiederholte ich ungläubig. »Sie haben mich kreuz und quer durch Florenz gehetzt, meine Bekannten ermordet - und Eure -, und trotzdem sollen sie Angst vor uns haben?«
»Ja«, bestätigte er schlicht. »Das Wissen, über das wir ihrer Meinung nach verfügen, jagt ihnen Angst ein. Also müssen wir uns dieses Wissen aneignen, um sie in Schach zu halten. Dieses Geheimnis ist unser Unterpfand, das wir gegen sie einsetzen können, um um unsere Sicherheit zu feilschen.«
»Aber... Aber...« Ich war so durcheinander, dass ich kaum einen zusammenhängenden Satz herausbrachte. »Wir kennen dieses seltsame Geheimnis doch gar nicht.«
»Noch nicht.«
» Was ?«
»Wir müssen herausfinden, was wir ihrer Meinung nach wissen.«
»Und wie sollen wir das anfangen?« Meine Stimme triefte vor Hohn.
Bruder Guido lächelte. »Ihr tragt den Schlüssel zu diesem Rätsel ja dort bei Euch.« Dabei deutete er direkt auf meine Brust, und ich fragte mich, wie um alles in der Welt mein Busen uns aus dieser Zwickmühle heraushelfen sollte. Er fuhr ungeduldig mit der Hand durch die Luft. »Das Bild.«
Mit einem verständnislosen Stirnrunzeln zog ich das Bild aus meinem Mieder. Da ich es im Schlaf zerdrückt hatte, strich ich es auf dem Tisch glatt und beschwerte die Ränder mit einem Kerzenhalter und einer Bibel.
Bruder Guido trat neben mich. Das Bild lag golden und perfekt im Kerzenschein da, jede Einzelheit war in der dunklen Zelle deutlich zu erkennen.
Bruder Guido senkte fast ehrfürchtig die Stimme, aber sein Ton war nichtsdestotrotz drängend. »Ihr seid die ganze Zeit
lang verfolgt worden, weil Ihr dieses Bild an Euch genommen habt.«
Ich schluckte, weil mich Panik in der Kehle würgte, und fuhr zu dem Mönch herum. »Dann könnte ich es ja zurückgeben! Ich gehe zu Botticelli - der Abt wird uns sicher eine Eskorte mitgeben -, bringe ihm das Bild zurück und entschuldige mich... Ich wollte es ohnehin zurückgeben, an Bembo, und dann wurde Bembo... er war...«
Mein Wortstrom versiegte, als Bruder Guido langsam den Kopf schüttelte. »Versteht Ihr denn nicht?«, sagte er. »Ihr könnt nicht dorthin gehen. Selbst wenn Ihr das Bild zurückgeben würdet, würdet Ihr noch immer eine Gefahr darstellen, weil Ihr das Geheimnis kennt. Was Ihr wisst, könnt Ihr nicht aus Eurem Gedächtnis tilgen.«
»Aber ich kenne das Geheimnis doch gar nicht!«, kreischte ich. »Ich könnte beschwören, dass ich nichts weiß... und...« Diesmal brach ich ab, bevor Bruder Guido eingreifen konnte, denn ich wusste, dass mir das auch nichts helfen würde. Ich war nur eine Hure - eine gute zwar, aber eben nur eine Hure - und sie würden mich eher töten, als das Risiko eingehen, dass ich sie belog. Außerdem hatte ich mein Wissen ihrer Meinung nach bereits an jemanden weitergegeben, an einen Mann Gottes,
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