Das Geheimnis Des Frühlings
Geschenk. Bruder Guido hatte versprochen, gleich nach unserer Ankunft in Pisa seinen Onkel darum zu bitten. Während Abt Giles of Cambridge herzlichen Abschied von Bruder Guido nahm, schwang ich mich im Herrensitz auf eines der Pferde und zuckte zusammen.
Der alte Abt hob eine Hand. »Bruder Lucius, in der Satteltasche ist etwas für Euch. Aber öffnet sie am besten erst am Fuß des Hügels.« Sein freundliches Lächeln erreichte seine blinden Augen, aber er wandte sich ab, ehe ich ihm danken konnte, und humpelte zum Kloster zurück.
Als unsere Pferde den Fuß der hundert Stufen erreichten, hatte zwischen meinen Beinen ein heftiges Brennen eingesetzt, allerdings aus den falschen Gründen, denn mein Schambein prallte ständig gegen die harten Knochen des Tieres. Sowie
wir um die Ecke gebogen waren, bat ich den Bruder, Halt zu machen, während ich die Satteltasche öffnete. Darin befand sich ein mit Quasten verzierter gepolsterter Damensattel, den ich dem Pferd erleichtert auflegte.
Mein Lächeln hielt während des gesamten Ritts durch das Tal des Arno an, doch als ich mich umdrehte, um einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen, in der ich gelebt und die ich geliebt hatte, fragte ich mich, ob ich sie je wiedersehen würde. Beim Weiterreiten verspürte ich einen kleinen Stich im Herzen.
Teil 2
PISA
Juni 1481
1
Ich war nicht sonderlich beeindruckt, als wir endlich in Pisa eintrafen, und zwar aus drei Gründen.
Ragione uno : Es regnete in Strömen.
Ragione due : Alles war ein bisschen wie in Florenz, aber viel kleiner. Derselbe Arno verlief durch die Stadtmitte, doch als langsamerer und schmalerer Strom; die Paläste, die das Ufer säumten, wirkten kleiner und weniger prächtig als ihre florentinischen Gegenstücke, und selbst die Bewohner erschienen mir kleiner und weniger aufwändig gekleidet als ihre eleganten Vettern (ausgenommen natürlich mein Begleiter, der überall, wo er hinkam, alle anderen Männer überragte).
Ragione tre : Mein Hinterteil musste mittlerweile so rot leuchten wie Carpaccio, und mein Geschlecht war vom Reiten so taub geworden, dass ich sicher war, nie wieder Spaß am Sex zu haben. Dabei hatte ich dieses vermaledeite Biest von einem Pferd auch noch Pene (Penis) getauft, weil ich wenigstens auf diese Weise jeden Tag einen zu spüren bekommen würde. Bruder Guido erdolchte mich schier mit Blicken, als er von dieser Namenswahl erfuhr, und gab seinem Pferd im Gegenzug irgendeinen frommen Namen; Aquinas, nach einem seiner Lieblingsschriftsteller oder so. Auf jeden Fall musste ich für meinen Scherz teuer bezahlen. Ich litt Höllenqualen.
Versteht mich nicht falsch, ich war nach dem scheinbar endlosen Ritt durch die Hügel von Florenz sehr froh, in Pisa angelangt zu sein. Von der Sicherheit der Stadt aus betrachtet, liebte ich den Anblick dieser Hügel; von dort aus wirkten sie blaugrün,
in einen Dunstschleier gehüllt und weit weg. Aber wenn man auf einem störrischen Pferd über sie hinwegtrabt und sich bei jedem Schritt fühlt, als würde sein Unterleib von der gesamten florentinischen Armee gleichzeitig aufgespießt, dann vergeht einem das Lachen, das kann ich euch sagen. Vor allem dann, wenn die Hügel schließlich dem pisanischen Flachland weichen; salzig stinkenden Marschen von unbestimmter Farbe, die sich vor mir erstreckten, so weit mein Auge reichte, und meine Stimmung auf einen Tiefpunkt sinken ließen. Dazu kam der beißende Gestank nach Kuhmist, die Fliegen tagsüber und die Mücken bei Nacht. Bald war ich mit Stichen übersät, und mein ganzer Körper juckte. Ich bin eindeutig ein Stadtkind.
Aber die Stadt Pisa erschien mir, als wir sie endlich erreichten, wie ein blasser Abklatsch von meinem Florenz, einer Stadt, die ich mit jedem Schritt, der mich von ihr entfernte, mehr liebte. Jetzt dachte ich nicht mehr an Furcht, Mord und Blut, sondern nur an die goldenen Paläste, an warme Bäder, in denen Rosenblätter schwammen, und heiße, salzige Mahlzeiten für meinen knurrenden Magen. Ich stellte Bruder Guidos Geduld durch mein ständiges Jammern und Klagen auf eine harte Probe, aber der Hundesohn ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und gönnte mir nicht einmal die Befriedigung eines handfesten Streites. Doch als wir uns der Stadt näherten und ich begann, mich abfällig über seine geliebte Heimat zu äußern, sah ich, dass meine Giftpfeile Wirkung zeigten. Ich weiß, ich bin ein Luder, aber ehe ihr mich verurteilt, vergesst nicht, dass ich wund geritten, von Mücken fast
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