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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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könnte mir vorstellen, dass Ihr eine ausgezeichnete Tänzerin
seid, Signorina. Was könnt Ihr mir bezüglich ihrer Haltung und ihres Gebarens sagen?«
    Er hatte natürlich recht, ich war eine hervorragende Tänzerin und habe in den größten Häusern von Florenz getanzt, um hinterher im Schlafgemach Tänze ganz anderer Art vorzuführen. Aber selbst in diesen Häusern wurde ich selten mit solchen Galanterien bedacht, und da ich mich geschmeichelt fühlte, widmete ich den Grazien meine volle Aufmerksamkeit. »Nun ja«, begann ich. »Ihre Hände wirken irgendwie... eigenartig.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Tja, ich weiß drei Dinge über höfische Tänze.
    Qualcosa uno : Wenn man in einem Kreis tanzt, bemüht man sich, die Hände gesenkt zu halten, wie es sich für eine Dame der Gesellschaft schickt. Aber hier halten zwei von ihnen die Hände hoch erhoben, ihr Blick ist darauf gerichtet, und diese Hände sind auf eine Weise verdreht, die in gehobenen Kreisen eher... ungewöhnlich wäre.« Es berührte mich seltsam, von Schicklichkeit zu sprechen, wo doch gerade ich die denkbar ungeeignetste Person dazu war, aber ich weiß tatsächlich einiges über Manieren, auch wenn ich selbst keine habe.
    » Qualcosa due : In einem Rundtanz wie diesem sollten die Tänzerinnen in dieselbe Richtung blicken.«
    Bruder Guido nickte bedächtig. »Vielleicht liegt die Botschaft in der Haltung der Hände und der Blickrichtungen verborgen? Der Blick der linken Grazie ist auf die ineinander verschlungenen Hände gerichtet. Vielleicht versuchen sie uns etwas mitzuteilen - etwas mit den Fingern zu formen?«
    Ich starrte und starrte, bis meine Augen brannten. Der Mönch tat es mir nach.
    »Nur wenn sie versuchen, uns einen Hinweis auf eine Ente oder sonstiges Geflügel zu geben, denn etwas anderes kann ich aus ihrer Fingerhaltung beim besten Willen nicht entnehmen.« Ich rieb mir die Augen.
    »Vielleicht buchstabieren sie etwas?«, grübelte Bruder
Guido, zu erschöpft, um auf meinen kleinen Scherz einzugehen. »Formen ihre Hände einen Buchstaben? Wenn es kein arabischer ist, dann vielleicht ein griechischer, weil das Bild Figuren aus der Klassik zeigt.«
    Ich hätte weder einen arabischen noch irgendeinen anderen Buchstaben erkannt, denn ich kann nicht lesen, also überließ ich es ihm, derartige Schlüsse zu ziehen. Meine Gedanken wendeten sich anderen Dingen zu, doch eine rasch gestellte Frage riss mich aus meiner Versunkenheit.
    »Ihr sagtet, Ihr wüsstet drei Dinge über höfische Tänze. Was ist das dritte?«
    Madonna , er schaltete schnell. » Qualcosa tre : Der Blick sollte sittsam auf den Boden gerichtet sein. Man sieht einen Mann nie direkt an, auch dann nicht, wenn er Euer Partner in einem Rundtanz ist. Ihr solltet ihm nie in die Augen blicken, unabhängig davon, was für Vergnügungen Ihr für später geplant habt. Trotzdem sieht das mittlere Mädchen« - ich deutete darauf - » ihn an, während ihre Schwestern ihre Hände betrachten, so, wie es sich schickt.« Ich strich mit dem Finger über Merkurs Gesicht - oder vielmehr über das von Signore Botticelli.
    »Ihr habt recht«, entfuhr es Bruder Guido. »Sie sieht ihn so eindringlich an, als wollte sie ihm etwas sagen.«
    »Oder ihn in ihr Bett holen.«
    Der Bruder lief rot an. »Ich glaube, sie ist der Schlüssel«, meinte er. »Sie ist die Einzige des Trios, die durch ihren Blick mit Botticelli verbunden ist. Konzentrieren wir uns erst einmal nur auf sie allein. Hinter ihr verbirgt sich die Identität einer der Städte. Pisa, Neapel oder Genua. Wir müssen nach irgendeinem konkreten Hinweis suchen.«
    Wieder einmal war ich das Opfer meiner Unwissenheit. Ich wusste nichts über die drei Städte, außer dass es alles Seehandelsstaaten waren und von Kaufleuten und Seemännern nur so wimmelten. Ab und an tauchte einer von ihnen in Florenz auf, um seine Waren zwischen meinen Beinen zu entladen. Aber
um guten Willen zu zeigen, starrte ich die rothaarige Grazie erneut an und erkannte in dem Blick, mit dem sie den gut aussehenden Merkur betrachtete, etwas von meinen eigenen Begierden wieder. Dann wanderten meine brennenden Augen zu den über dem roten Schopf verschränkten Händen.
    Und da sah ich es. Etwas nahm in meinem vor Erschöpfung benebelten Hirn Gestalt an.
    Es ging weniger um das, was da war, sondern um das, was fehlte. Der Platz zwischen den Händen, die seltsame, schwanengleiche Berührung der Tänzerinnen bildeten genau die Silhouette, die ich gestern erst gesehen hatte.

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