Das Geheimnis Des Frühlings
Dienste unter der Bettdecke erwies und nicht von Angesicht zu Angesicht.
»Denn die Königin wünscht nicht, dass ihre eigene Schönheit von der einer Rivalin in den Schatten gestellt wird«, erklärten die drei wie aus einem Munde.
Jetzt war meine Neugier geweckt. »Ist sie denn so schön?«
»Oh ja, das ist sie. Johanna von Aragón ist überall für ihre Schönheit berühmt«, erwiderte die, die ich für Diana hielt, großmütig, und die anderen nickten zustimmend.
Ich fragte mich, wie ihr Verhältnis zur Königin wohl aussehen mochte, denn obwohl ich schon viele Edelfrauen betrogen hatte, indem ich es mit ihren Männern trieb, hatte ich keine dieser Frauen je kennengelernt . Wie es wohl war, in unmittelbarer Nähe einer Frau zu leben, die wusste, dass man ihrem Mann das Bett wärmte?
»Wir mögen sie sehr gern.«
»Sie ist wirklich reizend.«
»Ich bin stolz darauf, den selben Namen zu tragen wie sie«, flötete Giovanna. »Sie hat mir zu unserem gemeinsamen Namenstag einen Rosenkranz geschenkt.«
Meine Neugier wuchs. »Ist sie Don Ferrante denn treu?« »Oh ja, daran besteht kein Zweifel. Er ist ein Mann, der nicht mit sich spaßen lässt, und er lässt gegenüber denen, die ihn betrügen und hintergehen, keine Gnade walten. Erst kürzlich sind einige rebellische Barone auf seinen Befehl hin hingerichtet worden, obwohl er schon seit Kindertagen mit ihnen befreundet war. Und mit Frauen würde er noch grausamer verfahren.«
»In Sizilien kann ein Mann seine Frau mit Billigung des Gesetzes zu Tode prügeln, wenn sie ihn betrügt, meine Liebe.«
Ich schluckte. Das neapolitanische Lied, das ich am Morgen gehört hatte, kam mir wieder in den Sinn. Jesce jesce corno , wie wahr. Wenn ein Mann fremdging, wurde er in einem Gassenhauer verspottet. Tat eine Frau dasselbe, war sie hier im heißen, leidenschaftlichen Süden so gut wie tot. Der König schlief direkt unter der Nase seiner Frau mit drei verschiedenen Mätressen, aber seine Königin musste strikt darauf achten, dass ihr Ruf makellos blieb. Ich dachte eingehend darüber nach, während das Trio erneut um mich herumflatterte, an mir herumzupfte, mein Haar flocht, mich mit Bändern und Juwelen
schmückte und mein Mieder schnürte. Mein Leben lang hatte ich außerhalb dieser rigorosen Moralgesetze gelebt, außerhalb der Regeln, denen andere Frauen unterworfen waren. Seit meiner ersten Monatsblutung hatte ich auf der Straße gearbeitet. Ob ich je so leben könnte - als so genannte anständige Frau, die ständig auf ihr Benehmen achten musste? Und wo blieb bei all dem die Liebe? Gab es für dieses schlichteste und stärkste aller menschlichen Gefühle überhaupt Platz in der eingeschränkten Welt des Hofes? Liebte der König die Königin? Konnte er sie überhaupt lieben, wenn er sich nebenbei drei Mätressen hielt? Und wenn er es nicht tat, warum sollte es ihn dann stören, wenn sie sich ihrerseits einen Liebhaber nahm? Ich empfand das alles als ausgesprochen verwirrend. Es war wirklich ein Glück, dass ich keine Edelfrau war!
Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich kaum darauf geachtet hatte, wie ich hergerichtet wurde. Erst als mich die drei vor einen Spiegel zogen, schnappte ich nach Luft.
Wie damals in Pisa war eine grundlegende Verwandlung mit mir vorgegangen. Aber hier hatten die drei Frauen aus mir eine Taube inmitten von Amseln gemacht - ich war von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Mein Kleid war mit unzähligen Staubperlen bestickt, der steife Stoff meines voluminösen Rockes stand von meiner Taille ab wie eine Glocke. Eine zarte Spitzenkrause lag um meinen Hals. Nach den Tagen unter Deck hatte mein Gesicht seine frühere Blässe wiedererlangt, aber mein von Salz und Sonne ausgeblichenes Haar schimmerte blonder denn je. Eine der drei Frauen hatte Perlen hineingeflochten. Ich war zu der Grazie geworden, deren Identität wir hier in Neapel in Erfahrung bringen wollten. Und in diesem Moment kam mir ein Gedanke. In Florenz war ich Flora gewesen. Hier war ich eine der Grazien. War es mir bestimmt, nach und nach alle weiblichen Figuren der Primavera zu verkörpern?
Trotz meiner ätherischen Erscheinung wusste ich, dass das Chi-Chi-Glitzern in meine Augen zurückgekehrt war. Ich war
eine wandelnde Versuchung für jeden Mann an diesem Hof. Warum verspürte ich dann nur nicht die vertraute prickelnde Erregung? Warum schmiedete ich nicht wie üblich Pläne für eine heiße Nacht mit irgendeinem Höfling?
Ich kannte die Antwort natürlich.
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