Das Geheimnis Des Frühlings
Jesce jesce corno . Als ich den drei Hofdamen folgte, schoss mir etwas sehr Seltsames durch den Kopf. Ich war mein Leben lang eine an nichts und niemanden gebundene, treulose Schlampe gewesen, aber jetzt wusste ich, dass ich nur einen einzigen Mann wollte, und sollte ich ihn je heiraten dürfen, würde ich ihn niemals betrügen.
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Meine Begleiterinnen führten mich durch ein Dutzend Empfangsräume voller an Elstern erinnernder Höflinge und schließlich in einen riesigen Bankettsaal mit elegant gekreuzten Deckenstreben, die sich wie ein Spinnennetz hoch über uns wölbten. In dem Saal waren drei lange Tische so aufgestellt worden, dass sie drei Seiten eines Quadrates bildeten. Ein Diener geleitete mich und meine drei Gefährtinnen zu dem mittleren Tisch, wo wir Stühle an beiden Enden zugewiesen bekamen - vermutlich, um Platz für das Königspaar und seinen Gast zu lassen. Ich hielt nach Bruder Guido Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo in dem Meer aus Schwarz und Weiß entdecken. Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, setzte Musik ein. Dann wurde eine Tür am anderen Ende des Raumes geöffnet, und der König und seine Königin traten ein. Sie boten einen prächtigen Anblick, aber wie der Rest des Hofes hatte ich nur Augen für ihren Ehrengast.
Er hatte mit dem gebrochenen Christus, den ich an diesem Nachmittag blutend auf seinem Bett hatte liegen sehen, nichts mehr gemein. Er war glatt rasiert, sein frisch gestutztes
Haar kringelte sich in schimmernden blauschwarzen Locken um sein Gesicht, seine Haut glänzte in einem warmen Aprikosenton, und seine blauen Augen leuchteten, als er den Blick mit majestätischer Würde durch den Saal schweifen ließ. Er war schwarz gekleidet, sein Überwurf mit Jettperlen besetzt, doch darunter blitzte ein schneeweißes Hemd auf. Seine Beine steckten in einer engen schwarzen Hose, die Waden und Schenkel so betonte, dass sie wie aus Marmor gemeißelt wirkten. (Aber da ich nun einmal bin, wie ich bin, wanderte mein Blick sofort zu seinem Hosenbeutel, unter dem sich eine so beeindruckende Männlichkeit zu verbergen schien, dass mir das Blut in die Wangen schoss. In diesem Moment konnte ich kaum glauben, dass ich ihm bei unserer ersten Begegnung zwischen die Beine gegriffen hatte, und hätte alles darum gegeben, es noch einmal tun zu dürfen.) Er strahlte eine unverkennbare Aura der Macht aus. Ich wunderte mich, wie mit dem bescheidenen Mönch, den ich gekannt hatte, eine solche Veränderung hatte vorgehen können. Mein wankelmütiges Frauenherz begehrte ihn jetzt mehr denn je zuvor. Jetzt sah ich, was aus ihm hätte werden können, wenn er das Erbe seines Onkels angetreten hätte, und bedauerte zutiefst, dass er stattdessen einen anderen Weg gewählt hatte. Jetzt würde Pisa unter dem Joch eines nichtsnutzigen Finnochio leiden - dem echten Niccolo. Signore Guido della Torre wäre ein weit würdigerer Nachfolger seines Onkels gewesen. Er war einfach überwältigend.
Und mit dieser Meinung stand ich nicht allein da. Selbst Königin Johanna, die mit ihren dunklen aragonesischen Farben tatsächlich überaus attraktiv war, bekam leuchtende Augen, als er sich über ihre Hand beugte. Dass diese Frau, deren Keuschheit über jeden Zweifel erhaben sein musste, ein so auffälliges Interesse an einem Mann zeigte, war der sicherste Beweis für Bruder Guidos Charme. Ich schielte zu Don Ferrante, doch der König nahm gerade seinen Platz ein und begrüßte seine Gäste, er hatte den Blickwechsel nicht
bemerkt. Dann war Bruder Guido an meiner Seite, und ich spürte, wie er meine Hand an seine Lippen zog. Aber mir sah er nicht in die Augen, wie er es bei der Königin getan hatte. Meine brennende Hand fiel in meinen Schoß zurück, meine Wangen begannen ebenfalls zu brennen, und doch wusste ich, als er neben mir Platz nahm, dass ihn meine Schönheit genauso in ihren Bann geschlagen hatte wie damals in Pisa, als ich die Treppe heruntergeschritten war.
Er dachte ganz eindeutig auch an diese Nacht zurück, denn als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er: »Wie bezaubernd Ihr heute Abend ausseht, Luciana. Es ist mir eine Ehre, Euer Tischherr zu sein.«
Mit ähnlichen Worten hatte ich ihn im Haus seines Onkels aufgezogen, fiel mir ein. Aber jetzt funkelten seine blauen Augen, die so stumpf und leblos geblickt hatten, als ich in seine Kammer getreten war, lebhaft und humorvoll. Für seine plötzliche gute Laune musste es einen Grund geben. Vielleicht hatte er in der Zwischenzeit eine bedeutsame
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