Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
werde ich ihm mitteilen, was geschehen ist. Sollte das Mädchen in der Zwischenzeit hier auftauchen, dann werde ich Euch selbstverständlich einen Boten nach Hatton Hall schicken.«
»Das ist nicht nötig«, meinte Onkel Humphrey. »Ich habe ohnehin noch ein paar Tage in der Stadt zu tun. Allerdings wäre es sehr zuvorkommend, wenn Ihr mir eine Nachricht in den Gasthof Zum Weißen Hirschen in Southwark schicken könntet. Ich habe für die nächste Zeit dort ein Zimmer gemietet.«
Alyss atmete tief durch. Sie war noch einmal heil davongekommen. Sobald der Onkel sich verabschiedet hatte, stürmte sie ins Nebenzimmer.
»Dieses Lügenmaul!«, rief sie. »Glaubt ihm kein Wort. Von wegen Schmuckstück seiner Frau! Mein Vater hat mir den Salamander als Glücksbringer und Erkennungszeichen gegeben, um ihn im Notfall zu Sir Christopher zu bringen.«
»Nun beruhige dich«, erwiderte der Mann. »Ich glaube dir ja. Oder hätte ich deinen Onkel sonst wieder weggeschickt?«
Alyss seufzte erleichtert auf. Sir Christophers Assistent hatte sie dem Onkel nicht ausgeliefert. Sie konnte ihm trauen.
»Und jetzt zeig mir endlich den Salamander«, befahl er, und seine Stimme klang plötzlich gar nicht mehr freundlich, sondern irgendwie kalt.
»Den Salamander?« Oje. Er konnte ja noch nicht wissen, dass der Salamander verschwunden war. Bevor Alyss ihm den Teil ihres Abenteuers berichten konnte, war Onkel Humphrey hereingeplatzt. In Stichworten schilderte sie jetzt, was vorgefallen war, doch Francis Milton schien sie nicht zu verstehen.
»Los, gib ihn mir!« Ungeduldig streckte er die Hand aus.
»Aber ich habe Euch doch gerade gesagt, dass ich ihn nicht mehr habe. Er wurde gestohlen.«
»Dein Onkel hat wohl doch recht, dass du eine Lügnerin bist«, meinte Milton. »Sag schon, wo du das Stück versteckt hast! Und tu nicht so, als sei der Salamander nicht wertvoll. Ich weiß genau, was es damit auf sich hat.« Er begann an ihrem Wams zu zerren. Sein zuvor freundliches Gesicht war nicht mehr wiederzuerkennen. Einen Augenblick lang schien er wie verhext. Dann sammelte er sich wieder.
»Na gut, dann leiste Widerstand. Es wird dir nichts bringen. Dein Onkel wird sich sicher freuen, sein entlaufenes Lämmchen wiederzusehen.« Er packte Alyss am Arm und zog sie aus der Bibliothek in den Gang hinaus.
»Aber ...«, begann sie, doch Milton unterbrach sie abrupt.
»Sei still oder dir wird noch Schlimmeres passieren, es sei denn, dir fällt doch noch ein, wo der Salamander ist.« Dann schob er sie unsanft den Gang entlang.
Alyss verstand die Welt nicht mehr. Francis Milton war wie ausgewechselt. Jetzt zerrte er sie durchs Haus, um mehrereEcken herum und eine schmale Stiege hinab, bis sie vor einer Tür anhielten.
»Bitte liefert mich nicht Onkel Humphrey aus«, flehte Alyss, dann wurde sie grob in eine Kammer gestoßen und die Tür wurde geschlossen. Sie hörte noch, wie sich ein Schlüssel im Schlüsselloch drehte, danach verklangen Miltons Schritte. Was war nur plötzlich in den Mann gefahren? Und was hatte es mit diesem verflixten Salamander auf sich, dass jeder ihn unbedingt besitzen wollte?
Alyss sah sich in ihrem Gefängnis um. Durch ein schmales, vergittertes Fenster drang nur wenig Tageslicht. Die Scheiben klirrten leise im Wind, der immer noch um die Häuser fegte und die Segel der Flussboote aufblähte. Bis auf einige Kisten, die an der Wand neben dem Fenster standen, war der Raum leer. Doch woher kam dann dieser scharfe Geruch, der ihr fast den Atem nahm? Deutliches Rascheln, gefolgt von leisem Fiepen, ließ Alyss auffahren. Es kam aus einer der Kisten, an deren Vorderseite ein Gitter aus Draht angebracht war. Sie ging näher heran, dann schrie sie laut auf. Hinter dem Gitter wimmelte es vor Ratten.
»Hilfe! Lasst mich hier raus!«, brüllte sie. Doch niemand hörte sie.
Im Zauberhaus
Dienstag, 10. September 1619
Der Junge kam nicht mehr aus dem Haus. Sie warteten und warteten. Es war fast so, als hätte ihn das unheimliche Gebäude verschluckt. Was hatten sie dort mit ihm angestellt? Welche Experimente führte der Zauberer durch, für die er Kinder brauchte? Auch wenn Jack nur noch wenig Lust verspürte, selbst ins Haus des Zauberers zu gehen, konnte er das nun keinen Augenblick länger aufschieben. Er musste herausfinden, was in dem düsteren Bau vor sich ging. Gerade als er die Straße überqueren wollte, um die Mauer genauer in Augenschein zu nehmen, klopfte ein weiterer Besucher an, den die Dienstmagd eintreten
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