Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
ohrenbetäubendes Kreischen die scheinbare Idylle. Eine Elster kam direkt auf den Apfelbaum zugeschossen und ließ sich im Geäst nieder. Die Frau blickte von ihrer Arbeit auf, der Elster hinterher, doch Jack, der mit klopfendem Herzen hinter dem Stamm kauerte, entdeckte sie immer noch nicht. Der Vogel zeterte weiter im Baum, bevor er über die Mauer davonflog. Gleich darauf hörte man ein lautes Klopfen. Es kam von einer zweiten Pforte an der Flussseite des Gartens. Jack vermutete, dass dahinter die Anlegestelle für Boote lag.
»Joan! Bist du im Garten?«
»Ja«, rief die Frau, wischte sich die erdigen Finger an der Schürze ab und ging auf die Pforte zu.
Von seinem Versteck aus konnte Jack sehen, dass der Ausgang tatsächlich zu einer privaten Anlegestelle führte. Ein Ruderboot schaukelte dort in der Strömung auf und ab. Der Bootsmann war ausgestiegen. In seiner Hand hielt er zwei geschlachtete Kaninchen an den Hinterläufen.
»Für ’n Kochtopf von Sir Christopher.«
»Danke, Ben«, meinte die Frau. »Er ist noch gar nicht zurück, hat sich verspätet.« Sie holte ein paar Münzen aus der Rocktasche und reichte sie dem Mann.
»Na, je länger du die Tiere abhängen lässt, umso besser schmecken sie. Hat Jim die Ratten geliefert?«
»Schon heute früh.« Sie verzog ihr Gesicht vor Ekel. »Da dran werde ich mich nie gewöhnen.«
»Allmächtiger! Lebendige Ratten!« Auch der Mann schüttelte ungläubig den Kopf, während er die Münzen in einen Beutel steckte. »Ich werde auch nicht schlau draus. Für was braucht er die nur? Jeder gottgläubige Mensch sieht die Biester doch lieber tot.«
»Dem Himmel sei Dank hab ich ansonsten nichts damit zu tun«, meinte die Frau. »Master Milton kümmert sich drum. Er braucht das Ungeziefer für seine Experimente. Wie geht’s Anne? Ist das Kind nicht bald fällig?«
Die beiden fingen an, über alles Mögliche zu plaudern. Jack sah seine Chance. Er rannte quer durch den Garten auf die offene Haustür zu und schlüpfte ins Haus. Er war in der Waschküche gelandet. Über dem Herd stand ein riesiger Kupferkessel. Vermutlich wurde hier auch das Geschirr gespült, denn in einem Steinbecken stapelten sich schmutzige Schüsseln. Der einzige Weg aus dem Raum schien der schmale Durchgang neben einem Regal voller Flaschen zu sein. Dort roch es nach frisch gebackenem Brot, und wie Jack vermutet hatte, führte er direkt in die Küche. Auf einem großen Tisch lagen auf einem Holzrost mehrere Laibe Brot zum Abkühlen. Er war hungrig und hätte gern etwas gegessen, doch dazu war keine Zeit. Stattdessen musste er schleunigst nach Ned und den anderen vermissten Kindern suchen, bevor die Dienstmagdaus dem Garten zurückkam und ihn auf frischer Tat ertappte. Er sah sich vorsichtig um. Möglicherweise gab es hier noch anderes Personal, ganz abgesehen davon, dass er nicht dem Zauberer in die Hände laufen wollte. Aber die Küche war leer.
Von der Küche führte ein weiterer Durchgang auf einen langen Korridor mit unzähligen Türen. Es war so still. Nur die Fenster klirrten leise im Wind. Die mit weißen Leintüchern verhüllten Möbel im Gang verliehen dem Haus eine gespenstische Stimmung. Am anderen Ende des Flurs führte eine schmale Wendeltreppe nach oben, dahinter zweigte ein weiterer Gang ab. Auch wenn es aussichtslos schien, würde Jack einfach systematisch jede Tür öffnen und das Korridorlabyrinth absuchen. Der erste Raum war leer, im zweiten stand ein Bett, im dritten eine Truhe und ein Tisch mit Stühlen, ein anderer Raum war von oben bis unten mit Büchern vollgestopft.
So leise wie möglich schlich er weiter den Korridor entlang, als ihn ein Geräusch, das vom Gang hinter der Wendeltreppe kam, aufhorchen ließ. Auf dem Steinboden waren deutlich Schritte zu hören. Hastig blickte er sich um, aber die verhängten Möbel waren zu weit weg, um sich dahinter zu verstecken. Die Schritte kamen stetig näher. Es blieb nur eine Möglichkeit. Jack öffnete die nächste Tür auf der linken Seite und schlüpfte in das Zimmer. Fast hätte er laut aufgeschrien.
Von der Decke, an einem Balken, hing ein Monster, das seine riesigen, scharfen Zähne bleckte und ihn bestialisch anstarrte. Es glich einem Drachen mit gestutzten Flügeln. Erst nach einem Augenblick merkte er, dass das Tier nur ausgestopft war. Daneben baumelte ein langes spiralförmiges Horn, das sicher einst einem Einhorn gehört hatte. Auch der riesige Kieferknochen daneben stammte bestimmt von einem Fabelwesen. In der Ecke,
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