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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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uns nicht in
Versuchung,
    sondern erlöse uns von dem Übel…«
    Und erhöre uns in der Not, Vater.
Denn nichts anderes ist es, in dem die Treuesten deiner Treuen sich nun
befinden. Du weißt, es gibt nur eine Richtung, in die unsere Gemeinschaft
ziehen kann, ohne ihre Bestimmung zu verlieren, und diese Richtung führt
geradewegs ins Meer hinaus.
    »… in Ewigkeit,«
    So also erhöre uns und lasse ein
Wunder geschehen.
    »Amen«
    Ich flehe dich an, Vater. Lass die
vielen tausend deiner jüngsten und treuesten Diener nicht umsonst gestorben
sein. Amen.
    Der Gebetsschluss verhallte in
Wellen, denen des Meeres gleich, und wieder war nur noch das sanfte Tosen der
Brandung zu hören. Nun schwiegen selbst die Lombarden voller Ehrfurcht, nachdem
sie uns bislang eher neugierig als achtungsvoll begleitet hatten.
    Ohne ein weiteres Wort zu
verlieren, drehte uns Nikolaus langsam seinen Rücken zu und schaute wieder aufs
Meer hinaus. Dann hob er seine Arme und sagte, zuerst ganz leise:
    »Herr, wir bitten dich, öffne das
Meer für deine getreuen Diener!«
    Alle warteten in angespannter
Erregung, doch nichts geschah.
    So also sprach Nikolaus ein
zweites Mal, nun etwas lauter:
    »Öffne das Meer, Herr!«
    Und ein drittes und ein viertes
Mal, schon stimmten einige mit ein:
    »Öffne das Meer!«
    »Öffne das Meer!«
    Direkt unter dem Felsen, auf dem
Nikolaus stand, kräuselte sich das Wasser plötzlich in einer schneeweißen
Gischt. Ein aufgeregtes Plappern machte die Runde, einige lachten, andere
weinten vor Glück. Das Wunder, nun also geschah es endlich.
    Doch so schnell sich die Gischt zu
einer Wand aufgetürmt hatte, so schnell sackte sie auch wieder in sich
zusammen. War es also nur eine besonders große Welle, die sich an der
Felsenklippe brach?
    Nikolaus fuhr unbeirrt fort, seine
Beschwörung gen Himmel zu schicken, und immer mehr stimmten mit ein:
    »Öffne das Meer!«
    »Öffne das Meer!«
    »Öffne das Meer!«
    Immer lauter, immer drängender,
immer verzweifelter wurden die Rufe, die rhythmisch durch die Luft peitschten.
Gott musste verdammt noch mal taub sein, wenn er sie nicht hörte.
    Doch nichts geschah.
    Aus dem Lager der Lombarden und
Ligurer kamen die ersten hämischen Rufe, und obwohl ich kaum etwas verstand,
war doch ihr Spott und die Schadenfreude unüberhörbar. Und auch uns, inzwischen
heiser geworden durch vergebliches Geschreie, kamen erste Zweifel, gefolgt von
einem Gefühl der Orientierungslosigkeit und Verzweiflung, als die Gewissheit
reifte, dass sich das Meer nicht heute und nicht in tausend Jahren teilen
würde.
    Doch wie nur sollte es nun
weitergehen?
    Nur vereinzelt gab es einige
Unbeirrbare, die weiterhin gemeinsam mit Nikolaus das Meer beschworen, die
anderen starrten entweder apathisch ins Nichts oder beteten, meist mit Tränen
in den Augen.
    Doch nicht alle ertrugen ihre
Enttäuschung in stiller Demut.
    Rasch gruppierte sich um Hendrik,
einen Schmiedgesellen aus Koblenz, eine kleine, aber stetig wachsende Schar
verbitterter und desillusionierter Weggefährten. Sie alle hatten die erste
Enttäuschung überwunden und diskutierten aufgeregt miteinander. Ich schaute in
ihre Augen und mir wurde Angst und Bange um Nikolaus, denn ihre Blicke ließen
wahrlich nichts Gutes vermuten. Hasserfüllt zeigten sie auf ihn und
verspritzten Geifer, als sie sich über ihren Heerführer mit Bösartigkeiten und
Gemeinheiten das Maul zerrissen.
    Nikolaus indes wandte sich wieder
uns zu. Konsterniert fiel er auf die Knie, seine Augen waren mit Tränen gefüllt
und die Stimme überschlug sich, als er verzweifelt zum Himmel schrie, warum ihn
der Herrgott ausgerechnet jetzt verlassen habe. Hendrik und seine Kameraden
waren ihm inzwischen bereits gefährlich nahe gekommen, nur noch wenige Schritte
fehlte dem rachlüsternen Pöbel bis zum Felsen, auf dem der einst heilige
Nikolaus zu Cölln nun zusammengesunken und offenbar widerstandslos sein
Schicksal einforderte. Ich wollte ihm zu Hilfe eilen, doch Eckhardt hielt mich
zurück.
    »Nikolaus’ Leben ist verwirkt, und
wenn du dich gegen Hendriks Bande stellst, wirst auch du das Abendrot nicht
mehr sehen.«
    Der Benediktiner zerrte heftig an
meiner Schulter und zog mich fort, folglich konnte ich nur tatenlos das
Geschehen verfolgen. Und so sah ich, dass sich Hendrik Nikolaus bis auf zehn
Schritte genähert hatte, mit der Rechten drohend einen Knüppel umklammernd, als
plötzlich doch noch Leben in die zusammengesunkene Gestalt unseres einstigen
Heerführers

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