Das Geheimnis des Goldmachers
machte, noch die beiden kräftigen Bediensteten in
seiner Begleitung. Sie selbst war es, genauer ihr kugelrunder Bauch, den sie
stolz vor sich hertrug, welcher ihn antrieb, als sei der Teufel in Persona
hinter ihm her. Erst im Wäldchen angekommen, gönnte er sich eine
Verschnaufpause. Zitternd zog er die Kleider an und fragte sich, wie um Himmels
willen sie ihn bloß gefunden haben mochte, eine Frage übrigens, die ihn noch
lange beschäftigen sollte.
Wieder in Aachen, tauschte er
rasch mit einem Mönch die Kleidung und pilgerte nach Cölln, um sich dem Zug des
Nikolaus anzuschließen.
Ich brauchte eine geraume Weile,
um seine Ausführungen zu verdauen. Nach dem Ausbleiben des von Nikolaus
prophezeiten Wunders und der Rache des blutrünstigen Mobs war dies ein weiterer
Schock, den meine arme, unschuldige Kinderseele zuerst einmal verkraften
musste.
»Ja habt Ihr denn gar kein
Gewissen? Wie konntet Ihr Eurem eigen Fleisch und Blut den Vater verwehren?«,
fragte ich ihn schließlich vorwurfsvoll.
Er schluckte. Man merkte ihm an,
dass eben dieser Vorwurf deutlich an seiner Seele nagte.
»Nun, ich denke«, antwortete er,
und sein Blick ging ins Leere, »mit deinen zwölf Jahren fehlt dir noch das
rechte Verständnis! Du kannst allerdings gewiss sein, mein Junge, bei klarem
Verstand hätte ich keinen Finger an sie gelegt, das schwöre ich bei allem, was
mir heilig ist.
Im Grunde hat sie mir Gewalt
angetan, nicht andersrum. Dennoch tut es auch mir leid wegen des armen Kindes,
das unschuldig ist an der verzwickten Lage. Aber sei gewiss, am Vater mag es
dem Kinde zwar fehlen, doch bestimmt nicht am Nötigsten für den Unterhalt.
Siegrieds Vater hat mehr Geld als ein Bauer Heu, für die Mutter und das Kind
ist gesorgt bis an ihr Lebensende!«
Schweigend gingen wir weiter auf
die Suche nach dem Hafen. Ich konnte sein schlechtes Gewissen förmlich riechen,
so drückend lastete es auf ihm und plötzlich ging mir auf, dass eben diese Reue
sein Verhalten und die rührende Sorgfalt mir gegenüber begründete. Er hatte
mich auserwählt, um wieder gutzumachen, was er an seinem eigenen Kind versäumte.
Am Hafen angelangt, konnten wir
rasch mit dem Kapitän eines aus dem hohen Norden kommenden Handelsschiffes
einig werden. Friso war Norweger, doch nichts von seinem Aussehen deutete auf
seine Herkunft hin. Kannte man die Skandinavier als blonde, blasshäutige Männer
von beeindruckend hoher Statur, so war er eher von gedrungenem Wuchs und sein
Schopf ebenso wie seine Augen schwarz wie die Nacht. Frisos Blick machte mich
misstrauisch, er erschien mir verschlagen und falsch, doch offenbar nahm nur
ich das wahr. Eckhardt empfand Frisos Art sogar einnehmend und liebenswert, was
jedoch wohl daran gelegen haben mochte, dass die beiden rasch handelseinig
wurden, zu rasch, wie ich bereits damals fand. Leider sollte sich bald
herausstellen, dass ich mit meinen zwölf Jahren über eine bessere
Menschenkenntnis verfügte als mein deutlich älterer Freund.
Kaum an Bord, legten wir auch
schon ab, vorab nach Süden, um in Brindisi, einer Hafenstadt in Apulien, Marmor
und Baumwolle aus Sizilien zu laden. Danach sollte uns die Reise durchs
Mittelmeer hindurch an Gibraltar vorbei, dann an der nordgallischen Küste und
den Friesischen Inseln entlang zur Mündung der Weser und schließlich bis nach
Bremen führen. Dort warte ein ansässiger Kaufmann, zugleich auch der Reeder des
Schiffes, bereits auf die Ware. Gute vier Wochen veranschlagte unser Kapitän
für die Fahrt. Uns sollte es recht sein – wer wochenlang durch ödes,
menschenfeindliches Bergland marschiert, den konnte eine einmonatige
Schiffspassage, und sei die See auch noch so rau, beileibe nicht mehr
schrecken. So also genossen wir und mit uns siebzehn weitere gescheiterte
Kreuzfahrer, die ebenso wie Eckhardt und ich in Genua an Bord kamen, die Fahrt
nach Brindisi in vollen Zügen, arm an Gütern zwar, jedoch inzwischen reich an
Erfahrung. Schnell waren die Entbehrungen der letzten Tage vergessen, und
ebenso rasch schwand das Misstrauen, welches ich dem Kapitän anfangs noch
entgegenbrachte.
Die See war uns gewogen, sodass
wir bereits vier Tage später in unserem Bestimmungshafen einliefen.
Sonnengegerbt und frisch erholt, standen wir an der Reling und bestaunten die
prachtvolle Stadt. Der rege Handel, bedingt durch die Nähe Siziliens und
Byzanz’, trug ganz offensichtlich zum Wohlstand der Einheimischen bei, denn ein
jeder, der am Hafen flanierte, trug feinste Gewänder. Wir
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