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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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wurden immer länger
und unsere Gruppe immer kleiner. Zuerst fanden die am kräftigsten gewachsenen
Jungen einen Abnehmer, dann einige Mädchen, wobei hier nicht die Körperkraft,
sondern eine möglichst ausgeprägte Reife, helles Haar und ein liebliches
Äußeres ausschlaggebend für den Kauf waren. Bald darauf folgten Knaben, die
jünger waren als ich, nur mich wollte niemand haben, denn meine seinerzeit
ausgesprochen schmächtige Gestalt offenbarte nur zu deutlich, dass ich für
schwere körperliche Arbeit nicht taugte.
    Als die Sonne schließlich hinter
dem Horizont versank, waren wir nur noch zu acht, mit mir zwei Jungen und fünf
Mädchen, allesamt höchstens zehn Jahre alt.
    War ich anfangs froh, nicht wie
Vieh verschachert zu werden, wurde mir doch bald mulmig, als ich uns traurige
Schar Übriggebliebener betrachtete. Welchen Wert hatten wir für Friso, dessen
Besitz wir de facto waren? Güte war von ihm sicher nicht zu erwarten. Gab es
eine Verwendung für uns, die Schwächsten der Schwachen, oder würde er uns
einfach ersäufen wie junge Katzen nach einem zu großen Wurf?
    Mir schwante nichts Gutes, denn
wofür konnten wir schon taugen?
    Doch zumindest einmal sollte auch
ich Glück haben, denn in diesem Moment tiefster Sorge und Unruhe kam es
schließlich zu dem schicksalhaften Aufeinandertreffen mit meinem lieben Freund
und Wohltäter Osman.«
    »Endlich«, Osman war plötzlich
hellwach, »ich dachte schon, da wird heute nichts mehr draus! Ich bitte dich,
Robert, lass mich fortfahren, vom vielen Zuhören sind mir schon die Ohren ganz
wund!«
    »Nun, mir soll es recht sein, so
wie es deinen Ohren ergeht, so verhält es sich mit meiner Zunge. Wenn Bruder
Albert nichts einzuwenden hat …?«
    Der Dominikaner schüttelte seinen
Kopf.
    »Nein, beileibe nicht. So
bereichert es einen Bericht doch erst, wenn man ihn von mehreren Seiten erzählt
bekommt. Ihr, Robert, kühlt Eure Kehle mit einem kräftigen Schluck Wein. Osman,
nehmt den Krug Wasser zu Euch. Wenn Ihr ähnlich erschöpfend berichtet wie Euer
Freund, so wird die Erfrischung vonnöten sein.«
    »Vielen Dank, Herr Mönch«,
antwortete Osman freundlich, »doch ich will weder Eure Zeit noch Geduld zu sehr
beanspruchen. Freilich habe ich auch nicht so viel zu erzählen wie Robert.
    Geboren, aufgewachsen und nunmehr
siebenunddreißig Jahre alt geworden bin ich in Alexandria, der Perle des
Orients. Seit Generationen befindet sich meine Linie im Dienste einer
byzantinischen Kaufmannsfamilie, die seit Menschengedenken von Alexandria aus
Handel mit aller Welt betreibt und, so sagt man hinter vorgehaltener Hand, mehr
Einfluss besitzt als die Landesherren selbst. Zuerst nur als einfache
Leibdiener im Hause tätig, wurde meinen Ahnen von Generation zu Generation
schnell mehr Verantwortung zuteil, sodass mein lieber Vater schließlich nicht
nur seinem Herrn als Vertrauter und Berater in sämtlichen Fragen zu Diensten
war, sondern auch dessen Zöglinge unterrichtete. Seit meinem zwölften
Lebensjahr nunmehr wies mein Vater mich in seine Aufgaben ein, da ich eines
Tages sein Amt weiterführe sollte. Ich danke Allah für die Gnade, ihm zu seinen
Lebzeiten die Schande erspart zu haben, dass ausgerechnet sein Nachkomme
jene ehrenvolle Tradition brach, die seit Generationen in der Familie vom Vater
zum Sohne weitergegeben wurde.«
    Osman hielt kurz inne. Seinem
Gesicht fehlte jede sonst dort allgegenwärtige Überheblichkeit. Doch schnell
fasste er sich wieder, Trübsinn war offensichtlich nicht sein Ding.
    »Nunmehr zweiundzwanzig Jahren ist
es her, ich war fünfzehn, als ich auf Robert traf. Es war ein wenig abseits des
Hafens. Hier bot Friso seine menschliche Ware feil, so wie es auch die anderen
Männer seines Schlages tun mussten. Der Hafen selbst, dort, wo die
Handelsschiffe aus aller Welt einliefen, blieb den Halunken verwehrt, denn
freilich konnte kein Alexandriner stolz auf Geschäfte dieser Art sein, auch
wenn sie recht lukrativ waren.
    Eigentlich wollte ich keinen
Sklaven kaufen, vielmehr war ich auf der Suche nach einem Übersetzer vom und
ins Germanische, da unser Herr beabsichtigte, engere Kontakte mit der Bremer
Hanse zu knüpfen. So schickte mich also mein Vater mit zwei Wachen und einem
Beutel Gold in die Stadt, um einen der deutschen Sprache kundigen Mann
anzuwerben. Doch leichter gesagt als getan, zwar fand ich einige Kaufleute und
Seemänner, die mit Eurer Zunge sprachen, doch was half es mir schon, wenn ich
mich nicht mit ihnen verständigen konnte.

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