Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
Vom Netzwerk:
in deinem ganzen verbrannten Land nicht genug Bäume stehen,
um auch nur einen Straßenzug aus Holzhütten zu errichten!«
    »Versteht mich beide recht«,
antwortete Osman und hob beschwichtigend die Arme, »weder will ich mit Euch
streiten noch schlecht über Eure Heimat reden, mir fiel eben nur dieser
Widerspruch ins Auge.«
    Während Osman und Albert weiterhin
rege ihre Standpunkte diskutierten, in freundschaftlicher Weise und ohne dabei
in Streit zu geraten, hatte Robert nur noch Augen für die Kirche. All die
Details über die geometrische Ordnung des Grundrisses wären ihm sicherlich
nicht aufgegangen ohne Alberts gescheite Worte. Nun, in ihrer unmittelbaren
Nähe, konnte er sich von den Ausführungen des Mönchs überzeugen.
    Doch, so entsann er sich
plötzlich, waren sie nicht hier, um ein Kunstwerk im Inneren der Kirche zu
bestaunen, welches darin erschaffen wurde?
    Welches Wunder hatte Albert wohl
noch für sie parat?
    »Bruder Albert, Osman, lasst uns
doch endlich hineingehen«, drängte Robert ebenso ungeduldig wie vergeblich,
denn noch immer standen die beiden vor der Kirchenpforte und redeten
aufeinander ein, ohne Anstalten zu machen, St. Michaelis zu betreten. So stieß
er also die schweren Bronzetüren auf und trat allein in die Kirche ein.
    Zuerst beeindruckte
Robert der überschaubar strukturierte Innenraum des Gotteshauses, keine Wand
versperrte die Sicht, selbst die zwei massigen, quadratischen Türme standen
innerhalb des Schiffes auf jeweils vier weit in die Höhe gezogenen Rundbögen,
die großzügig den Blick auf dahinter liegende Räume wie die Apsis freigaben.
    Licht flutete durch die
großen Fenster in den Seitenschiffen ebenso wie durch die vielen deutlich
kleineren Maueröffnungen im Mittelschiff oberhalb der Säulenarkaden und ließen
den Innenraum der Kirche in hellstem Glanze erstrahlen. Reich geschmückt mit
Zierrat war St. Michaelis gewiss nicht, bemerkte Robert keineswegs enttäuscht,
umso mehr beeindruckte die Kirche durch ihre einzigartige Architektur.
    Nach einer Weile kamen
auch Albert und Osman hinzu. Aus den Augenwinkeln sah Robert, dass der Mönch
nach oben an die Decke zeigte und Osman seinem Zeigefinger staunenden Blickes folgte.
Und erst jetzt bemerkte Robert das Baugerüst, welches gut und gern vierzig Fuß
über ihm die gesamte Decke des Mittelschiffs zugänglich machte. Ein zweiter
Blick, durch einige Lücken im Gerüst hindurch, versetzte ihn in Erstaunen. In
den leuchtendsten, herrlichsten Farben, die er je zu Gesicht bekommen hatte,
blickten zahlreiche Gestalten aus der Heiligen Schrift auf ihn herab,
überlebensgroß und naturalistisch echt, ganz so, als seien sie leibhaftig
zugegen.
    Noch versperrte das
Gerüst Robert den Blick auf das Werk in seiner herrlichen Gänze, doch nach und
nach erkannte er mehr Details. Vorn an der Pforte, direkt über ihm, hatte der
Künstler beispielhalber den Sündenfall verewigt. Robert bewunderte die grazile
Gestalt Evas und die athletische Figur Adams, er meinte gar Verlogenheit und
Bösartigkeit aus der Mimik der Schlange ablesen zu können, so, wie sie sich
verführerisch um den Apfelbaume wickelte, Eva zu- und Adam abgewandt. Weiter
vorn sah er die Darstellung eines weiteren Baumes, die Metapher auf eine
Ahnentafel vermutlich, und ganz am anderen Ende schien die Jungfrau Maria und,
noch ein Bildnis weiter vorn, ihr und Gottes gemeinsamer Sohn auf das brave
Kirchenvolk herabzublicken. Links und rechts wurden die großen Gemälde von je
zwei kleineren Bildnissen flankiert. Um die Apostel konnte es sich dabei nicht
handeln, dafür waren es viel zu viele, Propheten vielleicht, vermutete Robert
schließlich sehr richtig.
    Albert rief einen
freundlichen Willkommensgruß nach oben, und erst jetzt sah Robert in all dem
Getümmel zwischen Gestänge, Seilgeflecht und Brettern eine Gestalt behände
herumhuschen, ganz so, als befände sich das Gerüst zu ebener Erde und nicht
vierzig Fuß über hartem Steinboden. Der kleine Mann hoch über ihren Köpfen
grüßte herzlich zurück. Er war ebenso bunt gescheckt wie einer jener seltsamen,
sprachbegabten Vögel, die Robert erstmals in Alexandria zu Gesicht bekam, und
selbst seine krumme Nase erinnerte ihn an jene Tiere.
    »Nun, Meister Gerhardt, wie
gedeiht Euer Werk?«, fragte Albert weiter. Laut musste er nicht rufen, offenbar
war auch die Akustik des Gemäuers wohl durchdacht.
    »Es wird, lieber Herr Mönch. Zwar
langsam nur, denn rasch werden mir die Arme schwer vom vielen nach oben

Weitere Kostenlose Bücher