Das Geheimnis des Himmels
Inhaltes würdig sind. Ja, jetzt wird es mir klar … So soll es sein.“
Elisabeth schaute Leonhard etwas weniger durchdringend an. „So kann es gehen. Aber nur, wenn man uns auch lässt.“
Bernhardi nickte. „Hoffentlich bleibt es bei dem einen Besuch bei meiner Arbeit.“
Elisabeth nutzte das Stichwort Arbeit, um das Thema zu wechseln. „Übrigens, ich hatte heute eine interessante Begegnung mit der Oberin des Spitals.“
„Erzähl!“
„Während ich im Kräutergarten einige Pflanzen auswählte, kam die Oberin, Schwester Brunhilde. Sie sprach mich darauf an, wie erfreut sie sei, dass ich mich als Pflege- und Hilfskraft so gut eigne. Die meiste Zeit verbringe ich ja mit der Versorgung der Pfründner und ein wenig nur im eigentlichen Spitalsaal mit der Krankenpflege. Brunhilde berichtete mir, wie zufrieden die Patienten mit mir und meiner Medizin seien. Ich könne damit rechnen, für die neue Stelle einer leitenden Schwester vorgesehen zu werden. Das Spital hat sich nämlich so sehr erweitert, dass zusätzliche Kräfte eingestellt werden müssen. Ich solle diese dann anleiten und beaufsichtigen, versicherte sie mir. Du kannst dir denken, dass ich solche Dinge gerne gehört habe. Anschließend habe ich der Oberin einen von mir vorbereiteten Zettel überreicht.“
„Was stand darauf?“
„Ich habe Vorschläge unterbreitet, wie man den Spitalsgarten verändern müsste, um viel mehr nützliche Pflanzen zu ziehen. Bis jetzt ist die Auswahl an Kräutern zu gering, um die vielen Gebrechen, die mir im Spital begegnen, auch wirksam behandeln zu können. Wie du siehst, war mein Studium von Schriften der heiligen Hildegard nicht umsonst.“
„Und wie hat die Oberin darauf reagiert?“
„Wenn es eine Möglichkeit gab, noch mehr in ihrer Achtung zu steigen, dann ist mir das mit meinen Vorschlägen sicherlich gelungen.“
„Wann kann denn alles umgesetzt werden?“
„Schon bald! In den nächsten Tagen soll der Stiftungsrat tagen, und wenn der zustimmt, könnte ich gleich beginnen. Wenn es sich so entwickeln sollte, werden auch meine Einkünfte steigen. Ich vermute, man will verhindern, dass ich mich abwerben lasse.“
„Das ist ja großartig! Ich freue mich sehr für dich und für uns.“ Leonhard umarmte seine Frau kräftig.
Diesmal wehrte sie sich nicht.
44
Noch lange dachte der Opticus über den Besuch des seltsamen Mannes nach, der ihn vor Wochen in seiner Werkstatt aufgesucht hatte. Am merkwürdigsten war ihm der Wunsch des Gastes erschienen, große reine Gläser mit zwei unterschiedlichen Wölbungen zu schleifen. Dass der Gebrauch dieser gewünschten Gerätschaft etwas mit Alchemie zu tun haben sollte, hatte er ihm nicht geglaubt. Aber wie ein Scharlatan war der Fremde auch nicht aufgetreten.
Also beschloss der Opticus, selbst das Geheimnis des leider nicht zustande gekommenen Handels zu erforschen. Viel Ahnung konnte sein Kunde von der Materie und der Kunst des Gläserschleifens nicht gehabt haben. Sonst hätte er gewusst, wie aussichtslos es war, optische Gläser in der von ihm gewünschtenGröße und Reinheit auch nur zu beschaffen, geschweige denn zu bearbeiten. Die genaue Beschreibung, die der Fremde seinem Wunsch beigefügt hatte, konnte jedoch auch nicht der bloßen Fantasie entstammen – das war völlig klar. Kein Unbedarfter wusste, dass für die Herstellung von Brillen und Sehsteinen konvexe und konkave Schliffe erforderlich waren.
Glücklicherweise gab es in Augsburg eine ganze Reihe vermögender Kunden, die sich für ihre abnehmende Sehkraft die teuren Brillengläser leisten konnten. Deshalb hatte der Opticus immer genug Arbeit. Er hatte eine Vielzahl von Gläsern in seiner Werkstatt vorrätig, aus denen er nach einer gewissenhaften Bearbeitung die Wünsche seiner Kunden bediente.
Eines Abends, nachdem er seine tägliche Arbeit beendet hatte, war er noch einmal zu den Gläsern gegangen und hatte versucht, aus seinen Beständen zwei einigermaßen brauchbare Stücke herauszusuchen. Endlich hatte er zwei schöne Exemplare gefunden. Sie waren nicht einmal halb so groß, wie der Fremde verlangt hatte, aber für einen Versuch müssten sie ausreichen. Also beschloss der Opticus, sie nach der Beschreibung des Kunden zu bearbeiten.
Er brauchte mehrere Abende dazu. Seine Werkstatt war so ausgelastet, dass er schon mit dem Gedanken gespielt hatte, sich einen Gesellen zu leisten, der ihm in der noch jungen Kunst der Brillenherstellung zur Hand gehen konnte. Aber da er selbst ein schwieriger
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