Das Geheimnis des Himmels
steht.“
„So ist es.“
„Dann wage ich es, Euch mit einer Bitte zu belästigen. Ich will einem Wunsch Elisabeths entsprechen und Herrn Dr. Praetorius junior besuchen. Meine Frau möchte einige wichtigeErinnerungen aus ihrer Zeit hier auffrischen, und da könnte er vielleicht noch aus dem Nachlass seines Vaters Informationen beisteuern. Leider ist Elisabeth zurzeit sehr unpässlich und kann selbst nicht kommen. Da ich aber aufgrund meiner Arbeit als Lehrer an unserer Universität sowieso nach Magdeburg reisen musste, wollte ich – neben der Freude, Euch und Eure Einrichtung kennenzulernen – auch diesen Besuch bei Dr. Praetorius erledigen. Ich wäre Euch äußerst verbunden, wenn Ihr mir seinen Aufenthaltsort mitteilen könntet und ein kleines Empfehlungsschreiben ausfertigen würdet, damit ich Zugang zu ihm finde.“
Bernhardi hatte diese Halbwahrheit ohne zu Zögern ausgesprochen. Wie hätte er wissen können, dass er bezüglich Elisabeths Unpässlichkeit näher an der Wahrheit war, als er es sich vorstellen konnte.
„Aber gern. Ich hoffe nur, dass Eure Frau an keinen ernsthaften Beschwerden leidet.“ Damit zog Eccius, glücklicherweise keine Antwort erwartend, auch schon zwei Bogen Papier aus dem Sekretär heraus. Auf dem einen Blatt setzte er ein kurzes Schreiben auf, das Bernhardi als einen dem Stift verbundenen Universitätslehrer empfahl; von dem anderen Blatt trennte er ein kleines Stück ab und notierte die Adresse von Andreas Praetorius. „So, das war schnell erledigt.“ Er händigte Bernhardi das Gewünschte aus. „Bleibt Ihr noch etwas?“
„Leider drängt die Zeit, aber ich hoffe, beim nächsten Male mit Elisabeth zusammen hier einen Besuch machen zu können.“
„Zu meiner und des Hauses Freude.“ Der Abschied fiel wieder sehr förmlich aus.
Auf der Straße ging Bernhardi ein paar Schritte, dann hielt er an und entfaltete zuerst das Empfehlungsschreiben. Es war knapp formuliert, aber immerhin so, dass es im Zweifelsfalle seine Wirkung erfüllen würde, nämlich die Öffnung der Wohnungvon Andreas Praetorius. Auf dem anderen kleinen Stück Papier stand die Anschrift:
Dr. Andreas Praetorius
Weidengasse, Magdeburg
Bernhardi hoffte, dass die Weidengasse in Magdeburg nicht allzu lang sein würde und dass dieser Praetorius junior dort den Nachbarn bekannt war. Den Besuch wollte er auf morgen verschieben. Da sein Magen knurrte, beschloss er, ein nahe gelegenes Gasthaus zu besuchen.
Die Wirtsstube war gut gefüllt. Von den anderen Tischen erklang lautes und erregtes Stimmengewirr bis zu Bernhardis Platz herüber, das er zunächst aber nicht beachtete. Er bestellte einen deftigen Braten, dazu eine Kanne hiesiges Bier und nutzte die Zeit, um zu überlegen, wie er seinen Besuch bei Andreas Praetorius gestalten könnte. Ein wenig hatte er sich schon darauf vorbereitet. Vor allem war ihm klar, dass er nicht zu viel von seinen Texten offenlegen sollte. Darum hatte er sich eine Abschrift von einer Seite gemacht, die aussah wie der Beginn eines neuen Kapitels. Bewusst wollte er nicht die erste Seite seines Textbündels mitnehmen, denn die könnte eventuell gefährliche Rückschlüsse auf den ganzen Text ermöglichen. Bernhardi wollte von Praetorius nur Bemerkungen zur Verschlüsselung erhalten, aber nichts über den Inhalt seiner Schrift verraten.
Ihm war klar, dass er darauf achten musste, hier in Magdeburg inkognito zu bleiben. Erst vor wenigen Jahren war die Stadt zum neuen Glauben übergetreten, und er wollte weder als Vertreter der Altgläubigen erkannt werden noch vor den eigenen Universitätsangehörigen als Sympathisant der Lutherischen gelten. Als ihm der Trubel in der Gaststube zu laut wurde, bezahlte er sein Mahl und verließ das Haus.
In seiner Pension erkundigte sich Bernhardi beim Wirt nachder Weidengasse. Anschließend begab er sich auf sein Zimmer und setzte einen kurzen Brief an seine Frau auf. Er beschrieb die von Hindernissen durchzogene Reise und bestätigte die glückliche Ankunft in Magdeburg sowie das Ergebnis seines Gesprächs mit Eccius. Obwohl es noch nicht so spät war, löschte Bernhardi alsbald das Licht und begab sich zur Ruhe.
Am nächsten Morgen brach er schon frühzeitig auf und lenkte seine Schritte in Richtung Weidengasse. Erstaunt nahm Bernhardi den Unterschied zwischen seiner kleinen Universitätsstadt und dieser recht großen Handelsstadt wahr. Allein schon der Dom übertraf in seiner Größe alles, was er – mit Ausnahme von Köln und Erfurt – bisher
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