Das Geheimnis des Himmels
gesehen hatte. Aber ihm fiel auf, dass auch die Stadt Magdeburg bedeutende Probleme mit der Sauberkeit und Begehbarkeit ihrer Wege hatte. Glücklicherweise hatte sich das Wetter endlich gebessert. Am liebsten hätte er gleich den Dom betreten, aber dann beschloss er, doch erst das Haus von Andreas Praetorius zu suchen. Er folgte der Beschreibung seines Wirtes, um zur Weidengasse zu gelangen.
Die Gasse war erstaunlich breit, und Bernhardi erkannte sofort, woher sie ihren Namen hatte. Mehrere große Weidenflechtereien hatten hier ihren Betrieb. Vor den Werkstätten arbeiteten die Gesellen an ihren Erzeugnissen. Bernhardi trat an einen von ihnen heran.
„Guten Morgen. Ihr seid ja schon früh bei der Arbeit.“
Der ältere Mann sah kurz von seinem Geflecht auf und brummte mehr vor sich selbst hin: „Sobald es hell ist, muss man ran. Der Winter war lang und die Tage kurz, da kriegt man nichts geschafft.“
„Dann will ich Euch nicht aufhalten. Aber kennt Ihr einen Dr. Andreas Praetorius? Er soll hier in dieser Gasse wohnen.“
„Jawohl“, brummte der Geselle, ohne aufzusehen, „da hintendas große gelbe Haus mit dem Vorbau. Aber ich bezweifle, dass der jetzt schon Kundschaft empfängt. Der hat es nicht wie unsereins nötig, beim ersten Hahnenschrei zur Arbeit zu schreiten.“
„Danke und einen schönen Tag“, erwiderte Bernhardi und stellte dabei fest, dass die Zeit des ersten Hahnenschreis nun auch schon etliche Stunden vorbei sein musste. Er ging bis zum bezeichneten Haus, trat vor die Tür und klopfte.
Eine Frau mittleren Alters in Dienstkleidung öffnete. „Herr Praetorius empfängt noch keine Klienten. Kommt doch heute Nachmittag wieder!“
„Guten Morgen, gute Frau.“ Bernhardi versuchte, ihrer schroffen Art seine ihm eigene Höflichkeit entgegenzusetzen. „Ich begehre keine Rechtsberatung, sondern einen Besuch etwas privaterer Natur. Mein Name ist Leonhard Bernhardi, Magister der Philosophie. Wenn Ihr dem gnädigen Herrn bitte mein Empfehlungsschreiben überbringen würdet.“ Er hielt ihr den kleinen Brief entgegen.
Die Dienstmagd schaute ihn erstaunt an und wusste nicht so recht, wie sie mit dieser Anfrage umgehen sollte. „Ja, aber … ich weiß nicht, ob ich meinen Herrn schon stören darf und ob er überhaupt …“
„Versucht es doch bitte“, unterbrach Bernhardi.
Etwas überrumpelt zog sich die Magd ins Haus zurück. „Na gut, wartet hier.“
Nach einer Weile kehrte sie zurück. „Kommt bitte herein, Dr. Praetorius wird Euch gleich empfangen. Folgt mir in die gute Stube und wartet dort.“ Ihr Ton war um eine Nuance freundlicher geworden.
Sie führte den Magister in die Stube und er nahm Platz. Dabei hatte er Gelegenheit, sich in dem großen Raum umzusehen. Beeindruckend viele Bücher standen in einem Schrank hinter einem riesigen Tisch. Alles war so eingerichtet, dass ein Besuchergleich in Ehrfurcht erstarren musste. Bernhardi befürchtete, es wieder mit einem eitlen Vertreter seiner Zunft zu tun zu haben.
Dann wurde die Tür geöffnet und ein kleiner, drahtiger Mann mittleren Alters trat schwungvoll ein. Er hatte eines dieser neuartigen Gläser auf der Nase, mit denen man, gegen gutes Geld natürlich, die Schwäche seiner Augen kräftigen konnte.
„Guten Tag, Dr. Bernhardi“, begann dieser die Begrüßung, wobei er bei der Nennung des Namens auf das Empfehlungsschreiben schielte, das er in der Hand hielt.
„Ich danke Euch, dass Ihr Euch die Mühe macht, meinen Besuch entgegenzunehmen“, antwortete Bernhardi.
„Wenn Eccius ein Empfehlungsschreiben ausstellt, dann ist es mir eine Ehre, den Empfohlenen zu empfangen. Wie ich sehe, muss mein Vater doch ein beliebter Lehrer am Stift gewesen sein, wenn nach so langer Zeit sich noch die Schülerinnen an ihn erinnern …“ Er schmunzelte. „Ob ich allerdings noch etwas zur Erinnerung beitragen kann, fürchte ich verneinen zu müssen.“
„Ich will ganz ehrlich sein. Meine Frau hat zwar sehr gute Erinnerungen an ihre Zeit im Stift und an den Unterricht, vor allem an den Eures seligen Vaters, aber der Anlass meines Besuches ist doch ein anderer. Es stimmt zwar alles, was Eccius hier von mir geschrieben hat, doch der eigentliche Grund meines Besuches ist eine Hilfe, die ich benötige. Meine Frau hat mir berichtet, dass Euer seliger Herr Vater seinen Unterricht damit zu würzen pflegte, dass er hin und wieder Aufgaben verteilte, die eine gewisse Raffinesse zu ihrer Lösung benötigten.“
Praetorius lachte. „Jawohl, das hat
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