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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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seiner Abschrift, aus der Hand gab, dann bestand das Risiko, dass sie nicht mehr geheim blieb. Wenn er es nicht tat, dann käme er mit der Erforschung der Schrift nicht weiter.
    Er räusperte sich. „Selbstverständlich. Aber ich bitte um Vertraulichkeit.“
    „Genauso selbstverständlich“, antwortete Praetorius mit einem Lächeln, das nur durch ein kurzes Anheben der Mundwinkel erkennbar war. Und dann, als hätte er die Gedanken seines Gegenübers erraten, fügte er hinzu: „Versteht bitte: Ihr müsst mir vertrauen, dass ich die Sache nicht weitergebe, und ich muss Euch vertrauen, dass Ihr mich nicht in eine unhaltbare Lage bringt.“
    Bernhardi lächelte zurück. „Ja, so wird es sein. Ich bedanke mich für Eure bereitwillige Mitarbeit und werde übermorgen Abend wiederkommen. Übrigens, ich wohne zurzeit im Gasthaus zum Roten Löwen. Und noch eine Bitte: Ich wäre Euch zusätzlich dankbar, wenn Ihr Eccius nicht den wahren Grund meiner Magdeburgreise offenbaren würdet.“
    „Ich habe nichts anderes als Erinnerungen mit Euch ausgetauscht“, antwortete Praetorius verschmitzt.
    Die beiden verabschiedeten sich und Bernhardi nutzte die Gelegenheit, sich die Stadt anzusehen. Er fand eine Stelle, ander er seinen Brief an Elisabeth befördern lassen konnte. Anschließend lenkte er seine Schritte erneut dem Dom zu.
    Als er das Kirchenschiff betrat, wehte ihn zunächst die Frömmigkeit an, in der er selbst groß geworden war. Weihrauch, die vielen Seitenaltäre, der Kreuzgang mit Innenhof. Im Hintergrund hörte er einen Chor altkirchliche Gesänge üben. Er kam am aufwendigen Grabmal Ottos des Großen vorbei. Für einen Moment fühlte er wieder festen Grund unter seinen Füßen, alles war so vertraut. Dann aber stellte er fest, dass er nicht mehr so tun konnte, als hätte er die Schriften Luthers – wenigstens die, die er nun kannte – nicht gelesen. Wie gern hätte Bernhardi die Überzeugung gehabt, dass dies alles in Frieden und in akademischen Disputationen geläutert und geklärt werden könnte. Und doch spürte er, wie gegen seinen Willen die Ahnung in ihm aufkeimte, dass der Gegensatz, der sich hier auftat, vielleicht doch zu groß sein könnte, um ihn in seinem Sinne durch reine Logik zu überwinden. Was der Wittenberger letztendlich tat, war doch das Zerschlagen aller Hilfsmittel, die die Mutter Kirche zur Seligkeit des Menschen anbot.
    Luthers Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum: Es gibt keine äußerlichen Mittel, keine Heilseinrichtungen, die Gott zwingen könnten, den Menschen zur Seligkeit zu führen … Nein, das kann nicht sein … Und wenn es doch so wäre? Bernhardi musste sich festhalten, er ließ sich auf eine steinerne Bank am Rande des Kirchenschiffes nieder. Was wird da von dem Menschen verlangt? Keine äußeren Sicherungen mehr. Kein Halt, auf den man sich verlassen kann! Auf was ist denn noch Verlass? Wenn die andere neue Lehre, die noch im Verborgenen schlummert, die des Kopernikus, sich auch noch durchsetzen sollte, dann wehe uns!
    Und doch wusste Bernhardi genau, dass es mit der einstigen Sicherheit vorbei war.

10
    Am nächsten Morgen begann Bernhardi den neuen Tag mit einem ausgedehnten Frühstück. Er wollte sich mit eigenen Augen ein Bild machen, inwieweit der eingedrungene neue Glaube die Menschen zum Abfall gebracht hatte und welche Folgen daraus entstanden waren. Am Nachbartisch der kleinen Gaststube saß ein weiterer Einzelreisender, ein korpulenter Mann, etwa Mitte vierzig. Da sonst noch niemand von den Gästen anwesend war, bemerkten die beiden einander.
    Der Fremde begann das Gespräch: „Guten Morgen, wir gehören wohl zu der Zunft der Frühaufsteher.“
    Bernhardi zögerte erst einen Moment. Aber dann besann er sich auf seine Absicht, Stadt und Leute näher kennenzulernen, und ließ sich auf ein Gespräch ein. „Guten Morgen, ja, es scheint so. Seid Ihr auch fremd hier in Magdeburg?“
    „Ja und nein. Ich bin hier aufgewachsen, aber dienstliche Geschäfte haben mich in die Ferne geführt. Eher zufällig bin ich wieder hier. Wenn Ihr erlaubt, mein Name ist Wilhelm Fabricius, Reisender in Sachen Handel.“
    „Erfreut, Leonhard Bernhardi. Ich bin auf einen kurzen Besuch hier und muss dann wieder ins Herzogtum zurück.“
    „Nach Eurer Kleidung zu urteilen, gehört Ihr wohl der nahen Universität des Herzogs an.“
    „Genau. Dass man es von Weitem erkennt, überrascht mich allerdings.“
    „Alles Erfahrung und Menschenkenntnis. Ich habe lernen müssen, die Menschen

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