Das Geheimnis des Himmels
er mit seinem Sohn auch so gemacht. Ich wurde dadurch schon früh in Logik geschult, und das war mir auf dem Weg zu meinem Beruf schon oft von Nutzen.“
„Das kann ich mir gut vorstellen“, schmunzelte nun auch Bernhardi. „Waren auch kleine Übungen dabei, wie man Botschaften verschlüsselt?“ Er wusste selbst nicht, woher er dieKühnheit nahm, Praetorius so direkt auf sein Anliegen anzusprechen.
„Ja, natürlich. Das war eine seiner beliebten und gefürchteten Spielereien.“
„Seht Ihr, ich will direkt zur Sache kommen. Ich bin, durch welche Umstände auch immer, in den Besitz eines anscheinend verschlüsselten Textfragmentes gekommen, wenn es denn ein Fragment ist. Mir ist noch keine Möglichkeit in den Sinn gekommen, dieses Buchstabengewirr zu entziffern. Aber meine Frau, die ja das Glück hatte, den Unterricht Eures seligen Vaters zu genießen, hat mich auf die Idee gebracht, bei Euch nachzufragen, ob Ihr mir vielleicht einen Hinweis geben könntet, mit der Entzifferung weiterzukommen.“
Jetzt wurde Praetorius ernster und zurückhaltender.
„Seid Ihr sicher, dass es sich hierbei nicht um politische oder diplomatische Informationen handelt, die streng geheim bleiben sollten?“
Bernhardi hatte Verständnis für die Vorsicht des Juristen. „Ausschließen kann ich es selbstverständlich nicht. Aber die Umstände, unter denen der Text in meinen Besitz gelangt ist, machen es eher unwahrscheinlich. Sollte es sich trotzdem als eine solche Information erweisen, werde ich sie vernichten.“
„Dann zeigt mir das Fragment.“
„Da gibt es noch etwas.“
„Bitte?“
„Es handelt sich um einen Text in griechischer Schrift. Allerdings ergeben die Buchstabenfolgen keinen Sinn. Satzzeichen oder Worttrennungen sind nicht zu erkennen.“
„Das kommt vor.“ Praetorius schien gar nicht verwundert.
Bernhardi überreichte ihm seine Abschrift.
„Hmm“, brummte sein Gegenüber, „das sieht ja aus, als hätte sich jemand mit Buchmalerei versucht.“
„Ja, und auch mit Griechischkenntnissen entwirrt sich dieseAnordnung scheinbar willkürlich aneinandergereihter Buchstaben nicht.“
„Ich bin zwar des Griechischen nicht mächtig, aber mir scheint so, als hätte ich so etwas Ähnliches schon einmal gesehen. Wartet bitte einen Moment!“
Er verschwand kurz im Nebenzimmer und kam nach einiger Zeit mit einem Bündel Aufzeichnungen zurück. Er setzte sich wieder seinem Besucher gegenüber und blätterte in seinen Papieren. „Mein Vater hat mir hier seine Verschlüsselungsmethoden hinterlassen. Allerdings, und das hat er mir immer wieder versichert, handelt es sich dabei um Übungen oder vielmehr Spielereien, also nicht um so gewichtige Verschlüsselungen, wie sie im Militärwesen gebraucht werden. Er wollte damit seine Schülerinnen und Schüler anregen, ihren Verstand zu nutzen und manchmal auch weniger ausgetretene Wege zu beschreiten. Das würde bedeuten, wenn wir den Zugang zu Eurem Text finden sollen, müsste die Verschlüsselung so beschaffen sein, dass sie den Text zwar verbirgt, aber sie dürfte nicht so kompliziert sein, da er eines Tages verstanden werden soll.“
„Dem kann ich folgen“, erwiderte Bernhardi. Die Sache wurde ihm langsam unheimlich. Er war heilfroh, dass Praetorius kein Griechisch konnte, sodass er nicht verfrüht zu einem unfreiwilligen Mitwisser werden konnte.
„Dann versuche ich hier etwas Ähnliches zu finden.“ Praetorius gab sich alle Mühe, musste aber einsehen, dass er für diese Aufgabe mehr Zeit benötigte. „Es tut mir leid, ich muss mich noch intensiver in die Materie einarbeiten. Gestattet Ihr mir einen Aufschub?“
Bernhardi war zwar enttäuscht, sah aber ein, dass es nicht anders ging. Außerdem wusste er, dass er sich nicht beklagen durfte – war er doch schon erfolgreicher gewesen, als er gehofft hatte.
„Ja, das sehe ich ein. Wann, glaubt Ihr, werdet Ihr weitergekommen sein?“
„Lasst mich nachdenken. Wäre es Euch übermorgen Abend recht? Bis dahin werde ich Euch zumindest sagen können, ob es eine Möglichkeit der Entzifferung gibt, ob der Schatz meines Vaters dabei helfen kann.“
„Gut, dann werde ich übermorgen wiederkommen.“
„Überlasst Ihr mir bitte Euer Schriftstück?“
Bernhardi zögerte einen Augenblick. Das war einer der Momente, die er so gefürchtet hatte. Er musste blitzschnell eine Entscheidung treffen. Auch seine beste Beraterin, Elisabeth, konnte ihm jetzt nicht helfen. Wenn er seine Abschrift, beziehungsweise einen Teil
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