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Das Geheimnis des Himmels

Das Geheimnis des Himmels

Titel: Das Geheimnis des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Schoch
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Eurer Frau herausfinden können? Mein Beileid übrigens zum Verlust Eurer Tochter.“
    Bernhardi zögerte. Woher wusste Reinhardus so genau über den Zweck seiner Reise Bescheid? Er hatte nur private Besuche angegeben. Ohne auf die Frage einzugehen, bedankte sich Bernhardi für die schon fast ruppig zu nennende Kondolenz und war froh, dass Reinhardus das Gespräch seinerseits beendete.
    Im Colloquium am späten Nachmittag ließ sich Bernhardi von seinen Studenten noch einmal die Grundzüge der aristotelischen Logik aus dessen
Organon
entwickeln. Er wollte überprüfen, ob dessen Lehre von den logischen Grundgesetzen verstanden worden war, bevor er zur Hauptsache kam, nämlich zur Metaphysik.
    „Lohnt es denn überhaupt noch, sich mit Aristoteles’ Metaphysik auseinanderzusetzen? Es gibt Stimmen, die ihn als einen heidnischen Philosophen bewerten und in ihm grundlegende christliche Wahrheiten verfälscht sehen“, wandte er sich an seine Zuhörer.
    Zu seiner Überraschung meldete sich Maximilian Hartung, der neu immatrikulierte Student. „Woran denkt Ihr dabei?“, fragte er vorsichtig zurück.
    Bernhardi lächelte kurz, ehe er antwortete: „Zunächst einmal an die Frage der menschlichen Möglichkeit bezüglich des Erwerbs der ewigen Seligkeit. Oder vielmehr an das Problem, inwieweit der Mensch nach dem Sündenfall noch positive Kräfte behalten hat.“
    Hartung ließ nicht locker. „Da gibt es nun ja durchaus unterschiedliche Lehren. Ein paar Meilen weiter von hier wird gelehrt, dass der Mensch keine positiven Kräfte zum Erwerb der Seligkeit mehr hat. Somit darf man Aristoteles in diesen Fragen kein Gehör mehr schenken.“
    Bernhardi bemühte sich, nicht eindeutig Stellung zu beziehen mit seiner Antwort: „Solche Ansichten findet Ihr ausschließlich in Wittenberg, und wenn Ihr die Urteile der Universitäten von Paris und Löwen anseht, dann werdet Ihr bemerken, dass Aristoteles weiterregiert. Natürlich bedarf es einer christlichen Interpretation, aber das Licht der Offenbarung war auch schon vor Christus einigen großen Denkern geschenkt worden, auch wenn sie den Namen des Herrn noch nicht kannten. Im Übrigen bitte ich Euch, diese theologischen Spezialfragen mit dem theologischen Lehrpersonal zu disputieren. Ich bin hier für die Vermittlung der rein philosophischen Grundlagen zuständig.“
    „Weicht mir bitte nicht aus.“ Hartung machte seinem Namen alle Ehre, er blieb hart. „Sollte Aristoteles hier in den grundlegenden metaphysischen Fragen geirrt haben, warum kanndenn dann die Anwendung seiner Lehren auf die christlichen Wahrheiten nicht ebenso verkehrt sein?“
    Jetzt wurde selbst Bernhardi ungeduldig. „Bevor Ihr seine Metaphysik kritisiert, solltet Ihr sie erst einmal kennenlernen.“
    Bernhardi versuchte, die im Hintergrund schwelende Frage nach der lutherischen Lehre möglichst nicht anzusprechen. Nach außen musste er den rechtschaffenen, konservativen Lehrer spielen. Dass er selbst bemerkt hatte, wie fragwürdig hier die scholastische Tradition geworden war, konnte er nicht nach außen tragen. Noch nicht.
    „Verzeiht, Ihr habt recht“, zog sich Hartung vom Schlachtfeld zurück, „bleiben wir lieber bei den Quellen. Irgendwann kommt ja die Naturphilosophie des Aristoteles an die Reihe, und da haben wir unabhängig von theologischen Fragen die Möglichkeit, die Aussagen des Meisters auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen.“
    Bernhardi überzeugte dieser Rückzug nicht. „So ist es. Und nun nehmen wir uns die Anfangsgründe der Metaphysik vor.“
    Bernhardi schloss sein Colloquium pünktlich. Im Gegensatz zu früheren Zeiten beeilte er sich, der Universität zu entkommen, was gar nicht so einfach war, weil er von allen Seiten von Studenten bestürmt wurde. Aber er blieb hart und vertröstete seine Hörer auf die nächste Sitzung. Auf die Frage nach dem Grund für seine ungewöhnliche Eile reagierte Bernhardi ungehalten.
    „Wie Ihr wisst, habe ich eine Tochter verloren. Grund genug, mich mehr um meine anderen Kinder zu kümmern. Und nehmt bitte Folgendes zur Kenntnis: Von nun an werdet Ihr Euch selbst stärker um den Stoff bemühen müssen. Ich bitte also um eine intensivere Vorbereitung und Nacharbeitung, dann werden auch alle berechtigten Fragen hinreichend geklärt werden können. Guten Abend, meine Herren.“ Damit verschwand er aus den Blicken der Studenten.
    Unterwegs, auf halbem Weg nach Hause, bemerkte Bernhardi,wie sich ihm von der Seite eine Gestalt näherte. Es war Friedrich

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