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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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tadellosen Zustand ist wie heute. Wie finden Sie das?«
    »Ich bin sprachlos«, sagte der Kalligraph und konnte seine Tränen der Rührung nicht zurückhalten. Nassri empfand nichts, als er die Gefühle dieses sonst so kalten Mannes aufwallen sah. Das Haus stand wie vier weitere seiner Häuser leer, und wenn er durch ein leeres Haus zu Ruhm gelangte, während Gelehrte arm lebten, dann hatte er wieder einmal damit recht, dass Schule nicht der Weg zu Ruhm und Reichtum war.
    »Haben Sie schon Lehrer und genügend Schüler?«, fragte Nassri, um der bedrückenden Stille zu entkommen.
    »Lehrer ja, Schüler müssen wir landesweit noch auswählen. Nur die besten dürfen sich unsere Schüler nennen, und bald wird die Schule weltberühmt sein, da wir Wert auf die Qualität der Ausbildung nach den Maßstäben des legendären Ibn Muqla legen. Schüler aus allen arabischen und islamischen Ländern werden zu uns kommen und Damaskus zu einem Zentrum machen. Wann kann ich übrigens das Haus besichtigen?«
    »Es gibt nicht viel zu besichtigen, da es sich um ein modernes europäisches Haus handelt. Unten hat es sieben und im ersten Stock fünf und im zweiten Stock ebenso fünf Räume. Küche, zwei Bäder und zwei Toiletten gibt es auf jeder Etage. Gehen Sie heute noch zu meinem Geschäftsführer und unterschreiben Sie einen Vertrag. Ich rufe ihn an und gebe ihm die Anweisung. Wann gedenken Sie die Schule zu eröffnen?«
    »Wenn Gott will, im Mai, aber die offizielle Feier soll bereits im März stattfinden, so dass wir ab Februar mit der Werbung beginnen und die Einladungen verschicken können.« Hamid hielt kurz inne und drehte sich zur Werkstatt. »Salman«, rief er, der Jugendliche, der Nassri mit Mokka bedient hatte, erschien, »lauf zu Karam und hole uns zwei Tassen Mokka ... «
    »Nein, danke, ich muss gleich gehen und dort, wohin ich will, muss ich wieder Kaffee trinken ... Vielen Dank, bitte heute nicht mehr, aber könnte ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?«, sagte Nassri und warf einen Blick auf den mageren Mann mit den Segelohren.
    »Wir können für einen Moment hinausgehen. Im Stadtteil Salihije gibt es jedoch einige Cafés, die schon sehr früh aufmachen«, sagte Hamid.
    Zehn Minuten später saßen sie fast allein im Café al Amir. »Es geht um eine Frau«, sagte Nassri, nachdem der alte Diener mürrisch die dampfenden Mokkatässchen gebracht hatte, »eine Frau, die mir das Herz geraubt hat. Ich brauche einen Brief. Sie ist eine junge Witwe und lebt völlig zurückgezogen. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe. Ihre Briefe hatten bislang immer Zauberwirkung. Niemand schreibt besser in der Stadt.«
    »Wie alt ist die Frau? Ist sie wohlhabend? Liest sie Gedichte?«
    »Sehen Sie die Verkäuferin im Textilladen gegenüber? Sie hat ihre Figur. Das Gesicht aber ist viel hübscher, wie das eines schönen Jünglings. Ob sie Gedichte liest, weiß ich nicht.«
    Der Kalligraph warf einen Blick auf die Verkäuferin im Laden: »Sie ist doch auch hübsch«, sagte er lächelnd. Aber Nassri schüttelte den Kopf und beschrieb, wie viel erotischer seine Angebetete im Vergleich zu der Verkäuferin war. Er nannte Details, die sichtbar oder unsichtbar den Unterschied ausmachten, die Art der Bewegung und die Ausstrahlung, die von innen kam. Er erklärte den feinen Unterschied in der Ausstrahlung einer Frau, wenn sie befriedigt war. »Diese Frau hat noch nie eine Befriedigung erlebt«, sagte er in verschwörerischem Ton, »während die Verkäuferin absolut satt ist.« Hamid schaute prüfend hinüber in den Laden, konnte aber beim besten Willen nicht herausfinden, woran der reiche Kunde die sexuelle Sättigung erkannte.
    »Ich schreibe Ihnen nicht nur diesen Brief, sondern alle Briefe in den nächsten zehn Jahren, kostenlos!«, versprach der Kalligraph.
    Nassri rief seinen Mitarbeiter Taufiq an und erklärte ihm, dass er jetzt Kulturförderer sei und dass das Haus in der Bagdader Straße der Kalligraphieschule für zehn Jahre kostenlos zur Verfügung stehen solle. Er erwartete einen Aufschrei der Empörung, aber Taufiqreagierte gelassen, fast fröhlich: »Das hört sich gut an, wer macht sonst noch mit?« Und als Nassri ziemlich laut alle Honoratioren der Stadt aufzählte und erwähnte, dass sein Name an erster Stelle auf der Marmorplatte stehen würde, fürchtete Taufiq, dass Nassri betrunken war.
    »Taufiq erwartet Sie«, sagte Nassri lachend, als er zurückkam.
    »Ich muss Sie etwas fragen«, sagte Hamid, »und will Ihnen und Ihrer Angebeteten

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