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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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nicht zu nahe treten. Aber ich muss es wissen, um zu entscheiden, was für einen Brief ich schreiben soll. Wie wohnt die Frau?«
    Nassri brach der kalte Schweiß aus. Nie hätte er erwartet, dass dieser steife Kalligraph plötzlich so aufdringlich werden könnte.
    »Wie sie wohnt? Hier in der Nähe, nicht weit vom Parlament«, log er.
    »Nein, nein, Sie haben mich falsch verstanden. Wo sie wohnt, interessiert mich nicht, aber wie und mit wem sie wohnt, muss ich wissen. Wie ich vermute, müssen Sie ihr den Brief heimlich geben, und wenn Gefahr besteht, dass jemand im Haus Sie sieht, so formuliere ich den Brief eindeutig, aber ohne dass er Sie verrät. Ist es Ihnen möglich, der Frau den Brief persönlich in die Hand zu geben, dann kann ich direkter schreiben, als wenn ein Bote ihr den Brief überbringt. In diesem Fall sollte man besser Geheimtinte nehmen. Darum muss ich wissen, ob sie allein wohnt oder mit anderen Nachbarn.«
    »Nein, nein. Sie wohnt allein in einem Haus. Ich weiß noch nicht genau, wie ich ihr den Brief überbringe. An was für eine Geheimtinte dachten Sie?«
    »Man kann mit vielen Flüssigkeiten schreiben, die erst durch Behandlung mit Wärme oder Chemikalien lesbar werden. Sie können mit Milch, Zitronen- und Zwiebelsaft schreiben. Es gibt auch Tinten, die wesentlich teurer sind, aber die Schrift bleibt dann nur für eine gewisse Zeit lesbar.«
    »Nein, nein, lieber nicht. Ich möchte der Frau wunderschöne Briefe aus Ihrer Hand zukommen lassen. Mein Name Nassri Abbani muss darunterstehen. Einen solchen Namen versteckt man nicht«, sagte Nassri stolz.
    »Also nicht mit Geheimtinte. In Ordnung, ich mache mir ein paar Gedanken und in drei, vier Tagen können Sie den Brief abholen.«
    »Warten Sie mit dem Ausformulieren, spätestens morgen rufe ich Sie an, wenn mir klar ist, in welche Richtung es gehen soll«, sagte Nassri beim Abschied. Er musste sich beeilen. Seine Frau Lamia musste dringend zum Augenarzt. Seit Monaten platzten Äderchen in ihrem linken Auge, das inzwischen dunkelrot war, als hätte er sie geprügelt. Sie hatte Angst, Augenkrebs zu haben. Es war wie eine Hysterie. Jede Anomalität, die früher mit Kräutertee beruhigt werden konnte, drohte nun Krebs zu sein, und man suchte nicht mehr die Großmütter auf, die genau wussten, welches Kraut welchem Gebrechen gewachsen war, sondern ging sofort zum Spezialisten.
     
    23.
     
    H amid war überrascht, wie freundlich er von Geschäftsführer Taufiq empfangen wurde. Der grauhaarige kleine Mann mit den aufmerksamen Augen hatte ein intelligentes Lächeln und stellte seine Fragen nicht mit Misstrauen und Hinterlist. Dabei waren sie messerscharf formuliert und enthielten geschickt getarnte Fallen. Als er aber hörte, dass der bedeutende Hamid Farsi selbst dieser neuen Schule vorstehen und der zu Lebzeiten bereits zur Legende gewordene Kalligraph Serani Ehrenpräsident sein würde, wurde der Geschäftsführer fast unterwürfig höflich. Er übergab Hamid den Vertrag und schrieb dort, wo der Mietbetrag stehen sollte, die Bemerkung: »Nutzer zahlt für die Dauer des Vertrags keine Miete.« Er machte Hamid Farsi aber freundlich auf den Paragraphen aufmerksam, der besagte, dass dem Mieter fristlos gekündigt würde, wenn er das Haus zu anderen Zwecken gebrauchte oder es verwahrlosen ließ. »Bei so vielen Häusern und Mietern, wie Herr Abbani sie hat, wären wir sonst nur noch am Renovieren und könnten keiner anderen Tätigkeit nachgehen.«
    Hamid, der volles Verständnis zeigte, unterschrieb mit Schwung.
     
    Am nächsten Tag teilte Nassri dem Kalligraphen telefonisch mit, was er sich in diesem Brief erhoffte: »Gold soll eine Rolle spielen. Sie müssen erwähnen, dass ich bereit bin, ihr Gewicht in Gold aufzuwiegen, wenn ich ihre schönen Augen sehen und das Muttermal auf ihrem Bauch küssen darf. So oder so ähnlich, Hauptsache im Brief kommt Gold vor.«
    »Die Glückliche«, rief Hamid in den Hörer, »die Hälfte der Damaszenerinnen würde Ihnen zu Füßen liegen, wenn Sie sie in Baumwolle aufwiegen würden, geschweige denn in Gold.«
    »So ist es, aber das Herz ist ein wildes Tier und hat sich noch nie mit der Vernunft verstanden.«
    »Das haben Sie schön gesagt, den Satz nehme ich auf: Das Herz ist ein wildes Tier. Das ist schön«, wiederholte der Kalligraph im Singsang. »Ich habe bereits einen Entwurf, und ich glaube, er wird Ihnen gefallen. Zwei Seiten, normales Briefpapierformat, aber auf extrafeinem Papier aus China, handgeschöpft,

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