Das Geheimnis Des Kalligraphen
und ihre Abneigung gegen ihn wuchs stetig bis zur Geburt. Drei Monate davor durfte er nicht mehr mit ihr schlafen, da sein Ding, wie Saide angeblich gelesen hatte, auf den Kopf des Kindes in ihrem Bauch hämmere.
Seine dritte Frau Nasime machte sich eigentlich nichts aus Sex, wenn sie jedoch schwanger war, wurde sie wollüstig, und hatte das Bedürfnis, jeden Tag mit ihm zu schlafen.
Almas dagegen machte eine eigenartige Entwicklung durch. Sie nahm an Brust, Bauch und Hintern so gewaltig zu, dass ihre Freundinnen und Verwandten sie kaum noch erkannten.
Sie atmete nicht mehr, sondern schnaufte, sie aß nicht mehr, sondern verschlang und sie rührte sich kaum noch und fasste nichts mehr im Haushalt an. Sie holte ihre Verwandten zu Hilfe und bezahlte sie großzügig aus seiner Tasche. Nur ihr Geruch blieb unverändert weiblich und zog ihn weiterhin an.
Und mit jedem Kilo, das sie zunahm, wurde sie noch eifersüchtiger, weil er nur noch selten mit ihr schlief. Sie beschuldigte alle seine Frauen und alle Huren der Stadt, eine Verschwörung gegen sie angezettelt zu haben. Als wetzte sie nun ihre Zunge in Peperoniöl, brannten die Sticheleien in seinen Wunden.
Nach der Geburt, so tröstete man ihn, würde alles wieder verschwinden, das Gewicht wie auch das Gift der Zunge, und auch ihre schlechte Laune würde verfliegen. Doch als Nariman im September zur Welt kam, wurde Almas noch unangenehmer. Nun war ihre Tochter der Mittelpunkt der Welt und alle sollten auf der Stelle ihre Sklaven werden. Das Schlimmste dabei war, dass ihre Verwandten sich begeistert auf ihre Seite schlugen. Almas’ Eltern mutierten zu brabbelnden Schwachsinnigen, und wenn Nassri ihnen manchmal zuschaute, stand er kurz davor, die Irrenanstalt anzurufen und seine Schwiegereltern abholen zu lassen.
Dann musste er mit Almas in die Altstadt umziehen, da ihre Eltern dort von einer Tante ein Haus geerbt hatten und es nicht an einen Fremden verkaufen wollten. Viele Häuser der Stadt standen damals leer. Damaskus mit Umgebung zählte nicht einmal dreihunderttausend Einwohner, hatte aber eine gleich große Fläche wie Kairo. Weil Nassri es ablehnte, zur Miete zu wohnen oder von der Gnade der Schwiegereltern abhängig zu sein, kaufte er ihnen das Haus ab.
Das Haus lag südlich der Omaijaden-Moschee in einer Seitengasse nahe der Geraden Straße. Es hatte einen kleinen, aber schönen Innenhof mit Garten, Pomeranzen, einem Orangenbaum und einem Springbrunnen. Alles war klein und verwinkelt in diesem Haus, aber es verfügte nicht nur über ein erstes Stockwerk wie alle arabischen Häuser der Umgebung, sondern auch noch über eine Mansarde, zu der man vom ersten Stock mit Hilfe einer hohen Holzleiter gelangen konnte.
Der Umzug im November raubte Nassri die letzte Kraft, da Almas kaum etwas anfasste und mit nichts zufrieden war. Als er sich darüber bei seinem Freund, dem Apotheker Elias, beklagte, lachte dieser zynisch: »Wenn du weitere Frauen heiratest, wird bald eine Wohnungsnot in Damaskus ausbrechen.«
Nassri konnte nicht darüber lachen.
Almas’ Eltern schienen sich fest im Haus eingenistet zu haben. Wann auch immer er kam, waren sie da. Mehrmals stand er kurz davor, sich von Almas scheiden zu lassen, doch seine Brüder und sein Geschäftsführer empfahlen ihm, im Interesse der Sippe Gelassenheit zu üben.
So begann er nach langer Unterbrechung wieder Asmahan, seine Lieblingshure, aufzusuchen. Allerdings hatte sie sich völlig verändert. Sie wollte von ihm nicht nur leidenschaftlich geliebt werden, sie machte zudem den irrsinnigen Vorschlag, ihr Leben als Hure aufzugeben, um nur noch für ihn da zu sein.
Asmahan stellte eine Gefahr dar, weil sie sich in ihn verliebt hatte. All die Jahre, als er ihretwegen nächtelang nicht schlafen konnte, war sie kalt geblieben, und jetzt, wo er nichts mehr von ihr wollte, wurde sie aufdringlich.
Da blieb ihm nur noch die Flucht.
Natürlich erfuhr Almas von seinen Besuchen bei Asmahan und stellte ihn zur Rede. Er wisse genau, dass sie seine Liebe und Fürsorge brauche, und wenn er trotzdem herumhure, werde sie sich eines Tages an ihm rächen.
Ihre Eltern, die zugegen waren, erstarrten vor Scham. Sie wollten aufstehen und gehen, aber Almas bedeutete ihnen mit dem Zeigefinger, sitzen zu bleiben.
»Die Weiber quatschen viel. Ich habe nichts mit Huren zu tun«, erwiderte Nassri herablassend.
Der Apotheker Elias allerdings mahnte ihn, er solle die Drohung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber Nassri fühlte
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