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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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alten Mahaini, die verbindende Brücke zwischen ihrer Mutter und ihrem Onkel bildete.
    Nura mochte den Onkel, weil er viel lachte und sehr großzügig war, aber das durfte sie ihrem Vater nicht verraten. Vater nannte den Onkel eine »lackierte Trommel«. Seine Briefe und Anträge seien wie er, bunt, laut und leer.
    Eines Tages kam Onkel Farid am Vormittag zu Besuch. Er war nicht nur immer elegant gekleidet, er trug darüber hinaus auch stets rote Schuhe aus feinem, dünnem Leder, die beim Gehen geräuschvoll musizierten. Das war damals sehr beliebt, weil nur edle Schuhe quietschten. Und als Nura die Tür aufmachte, sah sie einen großen weißen Esel, den der Onkel an einem Ring neben der Haustür angebunden hatte.
    »Na, meine Kleine, willst du mit mir auf diesem edlen Esel reiten?« Nura wusste vor Überraschung nicht, wie sie ihren Mund wieder schließen sollte. Onkel Farid erklärte der Mutter, dass er einen reichen Kunden in der Nähe besuchen müsse, um ihm wichtige Anträge zu schreiben. Der Mann zahle sehr großzügig, betonte er. Und da habe er gedacht, er nehme Nura mit, damit die Mutter etwas Ruhe habe. IhreMutter war begeistert: »Dann hört sie auf, sich ihre Augen mit den Büchern zu verderben. Aber nur bis kurz vor dem Mittagruf der Muezzins, denn dann kommt seine Exzellenz zum Essen«, sagte sie und lächelte vielsagend.
    Der Onkel nahm Nura an beiden Händen und hob sie mit Schwung auf den Rücken des Esels. Sie fühlte ihr Herz in die Knie rutschen. Ängstlich klammerte sie sich an den Knauf, der vorne aus dem mit einem Teppich bedeckten Sattel herausragte.
    Man sah diese Mietesel oft im Straßenbild der Stadt. In der Nähe ihres Hauses gab es auf der Hauptstraße einen der vielen Stände, an denen man sich einen Esel leihen konnte.
    Autos besaßen nur ein paar reiche Familien, und abgesehen von der Straßenbahn waren zwei oder drei Busse und einige Kutschen für den Transport der Fahrgäste in und um Damaskus unterwegs. Das war viel zu wenig.
    Den Schwanz der weißen Mietesel färbte man mit leuchtend roter Farbe, so dass man sie schon aus der Ferne erkannte. In der Regel brachte der Kunde den Esel nach Erledigung seiner Vorhaben zurück. Wollte der Kunde nicht selbst zurückreiten, so schickte der Eselverleiher einen kleinen Jungen mit, der neben dem Reiter herlief, am Ziel den Esel übernahm und zum Laden zurückbrachte.
    Nun also ritt Onkel Farid mit ihr durch die Straßen. Sie folgten eine Weile der Hauptstraße und bogen dann in eine Gasse ein. Ein Labyrinth aus einfachen niedrigen Lehmhäusern verschlang sie. Am Ende einer Gasse hielt der Onkel vor einem schönen Steinhaus an. Er band den Esel an den Laternenmast in der Nähe des Eingangs und klopfte. Ein freundlicher Mann öffnete, unterhielt sich eine Weile mit dem Onkel, dann lud er sie beide in seinen schönen Innenhof ein und eilte, um auch den Esel zu holen. Der Onkel wollte ablehnen, aber der Mann bestand darauf. Er band den Esel an einen Maulbeerbaum und legte ihm Melonenschalen und frische Maisblätter hin.
    Nura bekam eine Limonade. Sie stand bald mit den Kindern des Mannes um den Esel herum und streichelte und fütterte ihn. Das waren die ungewöhnlichsten Kinder, die sie bis dahin gesehen hatte. Sie teilten mit ihr Kekse und Aprikosen, ohne etwas von ihr zu verlangenoder sie auch nur eine Sekunde zu belästigen. Sie wäre am liebsten dageblieben.
    Auf der schattigen Terrasse schrieb Onkel Farid, was der Mann ihm diktierte. Manchmal machten sie Pause, weil der Onkel nachdenken musste, dann ging es munter weiter, bis der Onkel den Muezzin hörte. Also brachen sie schnell auf.
    Ihr Vater schimpfte mit ihr und mit der Mutter, sobald Nura das Haus betrat. Der Onkel hatte sich wohlweislich an der Haustür entschuldigt und war schnell verschwunden.
    Warum der Vater immer schimpfen musste? Nura verschloss die Ohren, um ihn nicht zu hören.
    Da sie auch nicht essen wollte, ging sie in ihr Zimmer und legte sich aufs Sofa. »Hast du gesehen, wie glücklich diese Familie ist?«, hatte der Onkel auf dem Rückweg gesagt, und Nura hatte nur genickt.
    »Der Mann ist Steinmetz. Er hungert nicht, und er kann nichts sparen. Und doch lebt er wie ein König. Und warum?«
    Sie wusste es nicht.
    »Weder das Geld meines Vaters noch die Bücher deines Vaters machen glücklich«, sagte er. »Nur das Herz.«
    »Nur das Herz«, wiederholte sie.
    Der Onkel durfte ihre Mutter auch weiterhin besuchen, aber Nura durfte ihn nie wieder auf einem Ritt zu seiner

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