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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Toten in unseren Reihen drei in ihren gibt«, flüsterte er.
    Anfang April 1958 sollte Ali Barake in Damaskus ankommen. Hamid trug bereits im Februar seinen Namen und das Geburtsjahr 1929 in die Liste im Futteral ein. Nun war er sicher, dass er zumindest sein Geheimnis retten und einige seiner Träume durch diesen fähigen Mann verwirklichen würde.
    Aber es kam alles anders.
     
    10.
     
    G efängnisdirektor al Azm ließ Hamid durch einen Wärter zu sich bitten. Er war wie immer zuvorkommend, genau wie all diese Großbürger, aus denen Hamid nie schlau wurde. Sie lächelten dauernd wie Chinesen, selbst wenn sie einem ein Messer in den Bauch rammten oder die bitterste Niederlage schlucken mussten. Das hatte er, Hamid, nie gekonnt. Meister Serani mahnte ihn oft, dass man in seinem Gesicht seine Gedanken lesen könne wie in einem Buch mit deutlichen Buchstaben.
    Er hatte Mitglieder dieser feinen Kreise immer nur als Kunden getroffen. Er wusste, dass diese Männer, ob mit oder ohne Pascha- und Beytitel nicht an ihm interessiert waren, sondern nur an seiner Kunst. Ihr und nicht ihm galt ihre Bewunderung.
    Hamid trat ihnen gegenüber nicht leise und bescheiden auf, sondern stolz bis zur Grenze der Arroganz, um ihnen, die in Seide geboren waren, zu zeigen, dass er alles selbst geschaffen und nicht wie sie geerbt hatte, und dass sie, wenn sie ihn schon nicht in ihre Kreise aufnehmen wollten, ihm zumindest ein Minimum an Respekt zeigen mussten. Hamid wusste, der al-Azm-Clan, dessen Oberhäupter alle Kunden bei ihm waren, hatte schon seit dem achtzehnten Jahrhundert immer mit den Herrschern gegen die Bevölkerung paktiert. Die anderen Clans waren nicht um einen Deut besser. Deshalb reagierte Hamid bisweilen aggressiv, wenn einer dieser feinen Emporkömmlinge zu seiner Arbeit bemerkte: »Eine große Begabung.« Man wollte sein Können herabsetzen, Begabung war etwas, was Kinder und Dilettanten als Lob empfanden, aber nicht der beste Kalligraph in Damaskus.
    Auch an diesem Tag kam Direktor al Azm hinter seinem Schreibtisch hervor und hieß ihn willkommen.
    »Eine kleine, aber feine Kalligraphie«, sagte er, nachdem ein Wärter den Tee serviert hatte, »wenn es geht, in Gold auf Grün. Das sind die Lieblingsfarben meines Cousins. Ali Bey ist ein großer Bewunderer deiner Kunst. Er ist Parlamentspräsident und in einer Woche kommter aus dem Krankenhaus, Magengeschwür, man könnte es auch Politik nennen. Ich hasse Politik, aber er wollte immer Politiker werden. Als wir noch klein waren und spielten, rate mal, welche Rolle er immer übernommen hat?«
    Hamid schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, wovon der Direktor sprach.
    »Er wollte immer den Präsidenten spielen. Aber sei’s drum. Er ist ein großer Kenner der Kalligraphie und er bedauert immer, dass er nie die Zeit findet, um zu zeichnen und zu malen. Aber er bewundert dich über alle Maßen und meint wie ich, dich im Gefängnis festzuhalten ist eigentlich das größte Verbrechen. Ich habe dir doch vor kurzem erzählt, dass er dich nach sieben Jahren begnadigen lassen will. Er ist der Schwiegersohn des Staatspräsidenten. Ich dürfte dir das eigentlich nicht verraten. Wo bin ich stehen geblieben? Ach ja, wenn es geht, schreibe irgendetwas, das wie ein Falke oder Adler aussieht. Mein Cousin ist in die Falkenjagd vernarrt.«
    Hamid verdrehte die Augen, er hasste sowohl den Pflanzen- als auch den Tierstil, bei dem die Buchstaben zu Blumen, Landschaften, Löwen und Raubvögeln mutieren. Er fand es lächerlich, dass man die Buchstaben so lange bog, bis sie sklavisch im Dienste des Bildes standen. Was herauskam, konnte jeder Anfänger der Malerei oder Fotografie besser.
    Direktor al Azm bemerkte Hamids Unwillen: »Es war ja nur eine Anregung. Ich verstehe sowieso nicht viel davon. Du sollst schreiben, was dir gefällt«, Direktor al Azm stockte ein wenig, er schenkte Hamid Tee ein. »Und dann gibt es noch eine Kleinigkeit«, sagte er leise, »meine Tante, die Mutter des besagten Cousins Ali Bey und Schwester des Ministerpräsidenten al Azm, hat Geld für die Restaurierung der kleinen Omar-Moschee gespendet – habe ich dir von dieser Tante erzählt?«
    Hamid wusste nicht, was der Direktor mit all diesen Geschichten wollte, und schüttelte den Kopf.
    »Sie ist hundertzehn und geht noch jeden Tag einkaufen, hält ihre Siesta und trinkt jeden Abend einen Liter Rotwein, und nun bekam sie vor einem halben Jahr zum zweiten Mal Milchzähne. Wenn ich sie nicht gesehen hätte, hätte ich es

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