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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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eingehender Prüfung sicher, dass Ali Barake der richtige Nachfolger wäre, wenn er neben der Technik des Schreibens das adäquate Herz eines Meisters besitzen würde.
    Als es dann nach der Gründung der Schule im Bund kriselte, stand Ali Barake wie ein Fels hinter ihm. Seine Entscheidung für diesen jungen Kalligraphen als Nachfolger war gefallen.
    Die tragischen Ereignisse seines Lebens hatten aber verhindert, Barake rechtzeitig zu benachrichtigen. Im Gefängnis wartete Hamid ab, bis der Direktor Anfang Januar eine großformatige kalligraphische Arbeit wünschte. Sie sollte im Sommer als Geschenk der Familie al Azm für eine neue große Moschee in Saudi-Arabien überreicht werden. Der Gefängnisdirektor bot ihm die große Tischlerei an als Atelier für die Arbeit an dem acht Meter langen Spruch. Das unverwüstliche, edle Zedernholz, auf dem der Spruch geschrieben werden sollte, war aus demLibanon eingeführt worden. Drei Tischlermeister hatten es unter Hamids Anweisung zu einer großen spiegelglatten Fläche mit kunstvoll geschnitzten Rahmen verarbeitet.
    Hamid wünschte sich jetzt die Hilfe dieses Kalligraphen aus Aleppo, der in vielen Moscheen seiner Stadt hervorragende Arbeit geleistet hatte, und zeigte dem Direktor ein paar Fotografien davon. Direktor al Azm war begeistert.
    Hamid schrieb Meister Barake einen Brief mit einem komplizierten Ornament als Briefkopf, das nur ein Meister lesen konnte. Der Brief selbst enthielt die offizielle höfliche Einladung. Im Ornament aber war die geheime Botschaft verborgen, dass Hamid Farsi ihm das Dokument als Großmeister des Geheimbundes überreichen wolle.
    Ali Barake schrieb dem Gefängnisdirektor postwendend einen freundlichen Brief, er fühle sich geehrt, für die Moschee im heiligen Land des Islam einen religiösen Spruch zu schreiben. Daher verlange er auch keinen Lohn, sondern nur einen bescheidenen Platz für die Übernachtung und eine einzige Mahlzeit am Tag.
    Er bat um Verständnis, dass er erst im April anfangen könne, denn Ende März würde die Moschee in Aleppo, an deren Gestaltung er arbeite, in Anwesenheit des Staatspräsidenten eingeweiht. Er arbeite nun zwölf bis vierzehn Stunden am Tag, damit die Kalligraphien rechtzeitig fertig würden. Aber den April würde er dieser wunderbaren Aufgabe im Gefängnis von Damaskus widmen.
    Der Gefängnisdirektor jubelte vor Freude. Er ließ Hamid zu sich ins Büro bringen und legte ihm den Brief vor. Im Ornament, das den Brief wie eine Schmuckleiste umgab und von keinem Normalsterblichen gelesen werden konnte, schrieb der Meister aus Aleppo, dass er sich geehrt fühle, den größten Preis seines Lebens zu erhalten, obwohl er im Vergleich zu ihm, Großmeister Hamid, ein Dilettant sei.
    Als er sicher war, dass sein Nachfolger kommen würde, schickte Hamid den Wärter zu seiner Schwester Siham, sie solle sofort kommen. Diese staunte nicht wenig, einen Hamid anzutreffen, der sogar hinter der Gefängnismauer mächtig zu sein schien.
    Hamid empfing sie gleich mit seiner Forderung: »Du hast, wenn ich alles zusammenrechne, fast eine Million Lira an dich gerissen. Dubringst mir fünfzigtausend hierher und ich verzeihe dir alles. Und verkaufe das Haus nicht, wenn ich herauskomme, werde ich da wohnen. Vermiete es, ich gönne es dir, aber bring mir das Geld. Ich brauche es für einen edlen Zweck.
    Habe ich das Geld nicht innerhalb einer Woche, hetze ich dir Rechtsanwälte an den Hals, dass sie alles aus dir herauspressen, was du mir genommen hast. Und denk daran, ich komme bald heraus. Der Direktor sagt, nach sieben Jahren werde ich begnadigt. Hörst du? Was sind sieben Jahre? Bringe mir die fünfzigtausend Lira und du bist aus dem Schneider.«
    »Ich werde mein Bestes versuchen«, sagte Siham schließlich ausweichend und ging.
    Nach zehn Tagen rief der Direktor Hamid zu sich. Er übergab ihm eine große Tasche mit Bambus und Schilfrohren.
    Hamid belohnte den Wärter, und als er wieder allein war, schlitzte er den Boden der Tasche auf und grinste. »Eine Teufelstochter«, sagte er und lachte. Siham hatte ihm das Geld geschickt, aber nur vierzigtausend Lira. Doch auch das war damals ein Vermögen.
    Sein Nachfolger Ali Barake sollte mit diesem Geld eine geheime Straftruppe gegen die »Reinen«, die schlimmsten Feinde des Bundes, aufstellen und selbst mit Mord und Totschlag gegen sie vorgehen. »Es geht nicht an, dass wir wie gehorsame Schafe immer darauf warten, dass sie uns niedermetzeln. Sie müssen lernen, dass es für jeden

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