Das Geheimnis Des Kalligraphen
nicht geglaubt. Kleine schneeweißeZähne wachsen ihr im Mund. Aber wie dem auch sei. Die Legende erzählt, ein Sufimeister soll geträumt haben, der dritte Kalif Omar wünsche sich an diesem kleinen Platz, nahe der Seidengasse, eine Moschee. Damals, im 18. Jahrhundert, war die Gegend ein Sündenpfuhl!« Der Direktor lachte vielsagend und nahm einen kräftigen Schluck Tee. »Eine Marmorplatte am Eingang soll nun ihre große Spende verewigen, und es wäre eine Ehre für meine Familie, wenn du den Entwurf auf Papier dafür machen würdest. Ich habe hier drei Steinmetze, die deine Kalligraphie in Marmor eingravieren können. Zwei von ihnen sitzen lebenslänglich und der dritte fünf Jahre.«
Auf dem Weg zu seiner Zelle erzählte ihm der Wärter, sein Bruder habe einen siebenjährigen Sohn, der völlig behaart und geschlechtsreif sei. Hamid kam sich wie in einer Irrenanstalt vor. Er schüttelte den Kopf, als der Wärter die Tür seiner Zelle absperrte und hustend davonging. Er brauchte eine Zeit, bis er sein Gehirn von diesem ganzen Müll befreit hatte.
Erinnerungen kamen hoch. Er war damals neunundzwanzig und auf dem Höhepunkt seines Ruhmes und Glücks. Nicht weit von seinem Atelier wohnte in einem der schönsten Häuser des Suk-Saruja-Viertels Minister Haschim Ufri, ein reicher Industrieller und großer Liebhaber der Kalligraphie. Er bestellte oft kleine und große Kalligraphien bei Hamid, sagte ihm aber nie, wem er sie schenkte.
1949 brachte dieser Minister Ufri König Faruk von Ägypten bei einem Staatsbesuch eine Kalligraphie von Hamid Farsi mit. Einen Monat später kam der ägyptische Botschafter zu ihm ins Atelier und teilte ihm umständlich mit, der König sei noch nie von einer Kalligraphie so begeistert gewesen wie von dieser – ausgenommen natürlich einige der alten osmanischen Meister, aber diese seien ja bekanntlich tot und malten ihre Kalligraphien beim Herrscher aller Herrscher.
»Vielleicht überrascht es Sie, dass unser König ein leidenschaftlicher Kalligraph ist, wie sein Vater und sein Großvater es auch waren. Er wünscht sich, die Federn zu kaufen, mit denen Sie diese göttliche Schrift hervorgezaubert haben.«
Hamid wich alle Farbe aus dem Gesicht. Er war blass vor Zorn, nahm sich aber zusammen.
»Wenn seine Majestät ein Kalligraph ist, dann weiß er, Feder und Messer sind kleine unverkäufliche Heiligtümer.«
»Es gibt nichts Unverkäufliches, schon gar nicht für seine Majestät. Machen Sie mich und sich nicht unglücklich«, sagte der Botschafter.
Hamid fiel ein, dass der König von Ägypten sehr eng mit dem seit März herrschenden Diktator Hussni Hablan befreundet war, und letzterer war ein primitiver Analphabet, der nicht davor zurückschrecken würde, das ganze Atelier auseinanderzunehmen und zum König der Ägypter zu verschiffen, um ihm einen Gefallen zu tun.
Erstaunlicherweise sah das, was der Botschafter unter den Buchstaben seiner dezenten Drohung versteckt hatte, nicht viel besser aus als die Angstfantasien des Kalligraphen.
»Sie sind unverkäuflich, aber ich schenke sie seiner Majestät«, sagte Hamid verzweifelt, stand auf und öffnete den Schrank hinter sich. Dort lagen sie. Er wickelte sie in ein rotes Filztuch und übergab es dem dunkelhäutigen kleinen Mann mit der gewaltigen Glatze. Der Botschafter strahlte über das ganze Gesicht. Er staunte über die Kenntnisse seines Freundes im syrischen Außenministerium, der die außerordentliche Vernunft von Hamid Farsi gelobt hatte.
»Von Ihrer Großzügigkeit werde ich seiner Majestät persönlich berichten, weil er es aus Respekt vor Ihnen angeordnet hat, dass ich selbst diese unbezahlbaren Stifte nach Kairo bringe«, sagte der Botschafter.
Hamid Farsi beweinte den Verlust nicht lange. Er schnitt, spaltete und schliff zwei Tage lang, bis er mit den neuen Federn zufrieden war.
Einen Monat später kam der Botschafter wieder und übergab Hamid einen Brief vom König persönlich. Er enthielt einen der größten Aufträge, die Hamid Farsi je bekommen hatte, und eine Frage: »Warum schreiben die Federn nicht eine solch schöne Schrift wie die Ihre?«
Drei Monate arbeitete Hamid Farsi an dem mehr als gut bezahlten Auftrag. Es waren große Schriftbänder für die Palastwände. Als er damit fertig war, schrieb er einen Begleitbrief.
»Eure Majestät. Wie Ihr erkennt und Euer Botschafter, seine ExzellenzMahmud Saadi, bezeugt, schickte ich Euch meine besten Federn, aber ich konnte und kann nicht die Hand schicken, die diese
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