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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Direktor sollte in Kürze eintreffen.
    Hamid fühlte die erste Stufe der Hölle unter seinen Füßen. Er konnte kaum noch laufen.
     
    Aber Hamid war zäh, der Schlag lähmte ihn nicht lange. Er überwand seinen Schock und überlegte, dem neuen Direktor anzubieten, auf der nun gut vorbereiteten Holzfläche einen patriotischen Spruch zu schreiben, als Geschenk der Gefangenen für ihren Präsidenten. Die Zeit der islamischen Sprüche war vorüber. Die Saudis hassten Nasser und dieser ließ nach einem fehlgeschlagenen Attentat die Islamisten verfolgen, einsperren, foltern und töten.
    Nun wartete er gespannt auf den neuen Direktor. Er empfand sich zwar selbst als gemein, seinen Beschützer al Azm so schnell zu vergessen, aber der Geheimbund und seine Zukunft hatten Vorrang. Und alles, was die Übergabe der Leitung an den Kalligraphen Ali Barake erleichterte, war ihm recht.
    Doch der neue Gefängnisdirektor war eine bittere Enttäuschung. Er war ein Offizier bäuerlicher Herkunft, der gerade seinen Namen richtig schreiben konnte. Er lief immer – auch in geschlossenen Räumen – mit Sonnenbrille herum, als wollte er seine Augen verbergen. Er war ein Grobian und machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für Bücher und Gelehrte. Er betrachtete Kalligraphie als aufwendig betriebene Gemeinheit mit dem einzigen Zweck, das Lesen zu erschweren. Nur hochnäsige Sadisten konnten den Menschen so etwas zumuten.
    Hamid litt – als er das hörte – vor Sorge drei Nächte an Schlaflosigkeit, und das nicht ohne Grund. Am fünften Tag erlebte er den tiefsten Sturz seines Lebens.
    Der Gefängnisdirektor lachte grölend über ihn und seine Idee. »Millionen und Abermillionen Patrioten lieben unseren Präsidenten Nasser, ob ihn dazu noch ein paar Ratten im Gefängnis lieben, ist ihm doch scheißegal«, schrie er und brüllte vor Lachen. Die große Tafelließ er zu Brennholz zerkleinern. Aber das war noch nicht das ganze Unheil: Da der neue Direktor die drei Zellen der Privilegierten auch für seine Lieblinge unter den Gefangenen brauchte, stieß er deren bisherige Insassen in die Hölle der gewöhnlichen Zellen hinunter. Hamids Kalligraphien, die an den Zellwänden hingen, sowie seine Fotos, Bücher, Hefte und teuersten Kalligraphieutensilien ließ der Direktor kurzerhand auf den Müll werfen. Es sei verboten, solche Dinge zu besitzen. Er solle als Strafgefangener froh sein, dass er vom Staat ernährt werde, sagte ihm der neue Wärter zynisch. Auch noch Kunst im Knast wolle er? »Wo sind wir denn? In Schweden?«, fragte der Beamte und wartete nicht auf eine Antwort. Er wusste nicht einmal, wo Schweden lag, aber das sagte man so in Damaskus. Schweden und die Schweiz galten bei vielen Arabern so viel wie der vollkommene Staat eines zufriedenen Volkes.
    Der Karren der Müllmänner, der damals noch von einem uralten knochigen Maulesel gezogen wurde, transportierte an diesem Tag unter Abfällen aus der Küche, den Werkstätten und der Schreibstube einen Schatz von unglaublichem Wert an Kalligraphieunikaten zur Müllhalde des Vergessens.
    Von den vierzigtausend Lira fand man nie eine Spur. Hamid hatte außer seinen Kleidern nichts bei sich, als er in die Gemeinschaftszelle geführt wurde.
    Ende April fragte nach einer ermüdenden Busreise von Aleppo ein dürrer Mann am Gefängnistor höflich nach Hamid Farsi und Direktor al Azm. Er legte sein Einladungsschreiben vor. Als der wachhabende Offizier den Brief sah, schickte er den Mann schroff zurück und meinte, er solle verschwinden, bevor er die Geduld verliere. Ein alter Wärter mit zwei gelben Zähnen mitten in einer dunklen Mundhöhle empfahl dem empörten Fremden, möglichst schnell das Weite zu suchen, da der ehemalige Gefängnisdirektor al Azm nachweislich ein CIA-Agent und ein Spion für Israel sei und Hamid Farsi ein Schwerverbrecher.
    Ali Barake, so erzählte man sich, hätte unter Tränen beteuert, er wisse nichts von al Azm und dem CIA, aber er sei sicher, Hamid Farsi sei ein göttlicher Kalligraph und gehörte auf Händen getragen undnicht ins Gefängnis. Er wisse von einigen jungen Kalligraphen in Aleppo, die bereit seien, ihr Leben für ihn zu geben.
    Der Wärter schüttelte den Kopf bei so viel Pathos. Er schob den dürren verheulten Mann von sich. »Es ist besser für dich, die Namen der beiden nicht in den Mund zu nehmen, und nun verschwinde, bevor ich dich zu ihm lege.«
     
    Hamid kam enteignet und gebrochen in die Abteilung der Schwerstverbrecher, die alle ein-, wenn nicht

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