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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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weiße Socken für Sarah hatte er auch mitgebracht. Sarah lachte sich krumm, weil die Socken drei Nummern zu groß waren. Sie schenkte sie ihrer Mutter.
    Salman nahm sich an Ostern frei und ging mit seiner Mutter zur Frühmesse. Sie ging stolz durch den Mittelgang der Kirche und setzte sich, einer Prinzessin gleich, in die erste Reihe. Sie sah wirklich bezaubernd aus. Als der Pfarrer sie bei der Kommunion erkannte, blieb ihm der Mund offen stehen. Er vergaß bei Salman, der seiner Mutter folgte, »der Leib Christi« zu sagen und schaute erstaunt der vornehmen Erscheinung nach.
    Der Vater schlief um diese Zeit noch seinen Rausch vom Vortag aus. Das Glück der Mutter dauerte genau drei Wochen, dann erkältete sie sich. Da sie sich aber nicht schonte, wurde aus der Erkältung eine Lungenentzündung. Und als alle Tees, Wadenwickel und Stirnkühlungen nicht halfen, holte Faise den Arzt. Er war nett, verlangte aber fünfLira im Voraus. Salman zahlte, doch das Medikament, das er verschrieb, war sehr teuer.
    Die Nachbarn, auch Faise, empfahlen Salman, nicht auf den Arzt zu hören, ein paar Kräuter würden genügen. Doch Salman wusste, dass nur dieses Medikament seine Mutter retten würde. Die Ersparnisse bei Sarah reichten jedoch nicht.
    Es war Montag, der ruhigste Tag im Kaffeehaus, deshalb kam Karam, sein Chef, an diesem Tag nicht zur Arbeit. Samih, der ältere Mitarbeiter, machte die Kasse, und als Salman ihn um zwanzig Lira Vorschuss bat, bekam Samih einen Lachkrampf. »Sei froh, wenn ich dir zwanzig Piaster gebe. Weißt du, wie viel zwanzig Lira sind? Das sind zweihundert Tassen Tee oder hundert Tassen Mokka oder fünfundsiebzig Wasserpfeifen, und das soll ich dir einfach so geben? Der Chef erhängt mich und lässt mir auf die Brust ein Schild kleben: Erhängt wegen Dummheit.«
    Darwisch und Samih lachten so laut, dass Salman verärgert das Lokal verließ. Er wusste, wo sein Chef wohnte, und machte sich gleich auf den Weg.
    Das Gartentor war nur angelehnt. Salman ging durch den Garten, und als er die Haustür erreichte, hörte er in der Ferne undeutliches Lachen. Auch die Haustür war nicht verschlossen, also ging er leise hinein. Die Geräusche kamen aus dem Schlafzimmer.
    Auch Jahre später wusste Salman noch, dass sein Herz bis unter die Schädeldecke klopfte. Er war oft bei Karam gewesen und durfte ein- und ausgehen, wann immer er wollte. Also war ihm das Haus nicht fremd. Auch Badri, den Friseur, hatte er immer wieder einmal bei Karam getroffen.
    Als er jetzt im Flur stand, sah er durch die halb geöffnete Schlafzimmertür, wie der Friseur unter seinem Chef lag. Badri sprach im Alltag einen breiten Damaszener Dialekt mit tiefer Stimme. Hier flehte er wonnevoll mit der dünnen Stimme einer Filmdiva um mehr, was auch immer Karam ihm gab. Salman war damals fast vierzehn, aber er verstand nicht, was da vor sich ging. Seine trockene Kehle fühlte sich rau und trocken wie Sandpapier an. Rückwärts ging er langsam zur Tür und verließ das Haus. Erst draußen atmete er tief ein. Ihm dämmerte,dass der Friseur bei diesem Liebesspiel die Rolle einer Frau einnahm. Natürlich hatte er in seiner Gasse das Wort »schwul« schon gehört, aber nur als Schimpfwort, und er hätte nie gedacht, dass es Männer gab, die sich so zärtlich liebten.
    Ohne sich sehen zu können, wusste er, dass er noch blasser als sonst aussah. Seine Wangen waren eiskalt. Er blieb vor der Tür hocken, bis er die Männer im Bad lachen und toben hörte. Erst dann richtete er sich auf und schlug mit dem Türklopfer dreimal laut gegen die Tür.
    Es dauerte geraume Zeit, bis Karam Salman durch den Türspalt erschrocken musterte. »Ist was passiert?«, fragte er besorgt.
    »Nein, nein, aber meine Mutter ist schwer krank. Ich brauche dringend zwanzig Lira. Sie ... sie hat eine gefährliche Lungenentzündung. Ich zahle es Ihnen nach und nach zurück«, sagte Salman, den Tränen nahe.
    »Warte hier«, erwiderte Karam und verschwand ins Hausinnere. Kurz darauf kam er zurück, er trug jetzt seinen neuen blauen Pyjama und gab Salman einen Zwanzigliraschein sowie fünf Lira in Münzen. »Für die fünf Lira kaufst du deiner Mutter Obst. Das ist ein Geschenk von mir, du zahlst mir nur zwanzig zurück.«
    Am liebsten wollte Salman ihm die Hand küssen, aber Karam strich ihm kurz über die Haare. »Schließ die Gartentür hinter dir«, sagte er und verschwand im Haus. Salman hörte noch, wie er die Haustür zweimal abschloss.
    In jener Nacht schlief seine Mutter nach

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