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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Feierlichkeiten reiste Sarah mit ihrem Mann nach Homs, der schönen Stadt am Orontes-Fluss. Das war im März des Jahres 1955. Sarah umarmte Salman zum Abschied und flüsterte ihm ins Ohr: »1955 ist ein Glücksjahr für dich und für mich. Ich heirate den Mann, den ich liebe, und auch du wirst noch in diesem Jahr den ersten Schritt durch das Tor deines Glücks machen.«
    Die Trauer um seine kranke Mutter und seinen verschwundenen Hund erstickte seine Stimme. Er nickte und drückte Sarah noch einmal fest und dachte dabei an Flieger, der, wenn er nicht tot war, noch einsamer sein musste als er.
    Es sollte Jahre dauern, bis Salman Flieger wiedersah, aber schon in jenem Herbst sollte er erfahren, dass Sarah auch in Fragen der Zukunft allwissend war.

 
    10.
     
    I st es nicht übertrieben«, fragte der Apotheker seinen Freund, »drei Frauen in weit voneinander gelegenen Straßen wohnen zu lassen?«
    Warum könne er sie nicht in getrennten Bereichen eines einzigen großen Haremshauses unterbringen, wie sein Großvater und Vater es gehalten haben?
    »Meine Weiber können nicht weit genug voneinander leben, sonst kratzen sie sich nach einer Stunde die Augen aus. Drei Ozeane, die sie trennen, wären noch besser. Ich würde dann auf einer Insel in der Mitte leben. Mein Kompass«, sagte der elegante Gast, »würde mich jede Nacht unbeirrt zu einer von ihnen führen.«
    »Mir wären auch drei Wüsten recht, die meine Frau von mir trennen«, erwiderte der Apotheker, »aber für uns Christen ist die Ehe wie der Tod einmalig. Euer Prophet war ein Lebemann. Unser Herr Christus ein Revolutionär. Er hatte keine Ahnung von Frauen.«
    »Vielleicht doch? Vielleicht hat er deshalb nie geheiratet, obwohl ihm die Frauen zu Füßen gelegen haben«, erwiderte der Mann im weißen Anzug.
    Sie tranken Mokka, den eine beleibte Apothekergehilfin in weißem Kittel serviert hatte. Der Apotheker hatte hinter dem Verkaufsraum ein Labor mit einer Kochecke und einen mit Eisblöcken gekühlten Kühlschrank, in dem immer eine Flasche besten Arraks lagerte. Der Apotheker stand auf. »Tropfen für entzündete Augen willst du? Für wen?«
    »Weiß ich doch nicht«, erwiderte Nassri Abbani erstaunt.
    »Ich muss aber wissen, ob sie für ein Kind oder einen Erwachsenensind«, sagte der Apotheker und verabschiedete den Freund mit einem unverbindlichen Händedruck.
    »Dann frage ich meine Frau. Hast du ein Telefon?«
    »Woher soll ein armer Apotheker ein Telefon haben? Ich heiße doch Elias Aschkar und nicht Nassri Bey Abbani.«
    »Schon gut, ich werde es heute in Erfahrung bringen und dir morgen Bescheid geben«, antwortete der elegante Herr und verließ die Apotheke.
    Das hat man nun davon, dachte er beim Hinausgehen. Lamia redet zu viel, und am Ende weiß keiner, was sie eigentlich will.
    Hätte sein Vater sie doch geheiratet, statt sie ihm aufzudrücken. Er, Nassri, war damals noch jung und unerfahren gewesen. Man wolle seine Lust auf Frauen bremsen, wie der Vater sich ausgedrückt hatte. Lamia schien die Richtige zu sein, sie war die Tochter eines berühmten Richters und roch mehr nach Büchern und Tinte als nach Sinnlichkeit.
    Lamia war die reine Verkörperung der Rechthaberei. Keinen Satz von ihm ließ sie unkommentiert, geschweige denn gelten. Immer hatte irgendein griechischer, chinesischer oder arabischer Idiot vor Jahrhunderten schon dessen Gegenteil bewiesen. Und wenn Lamia niemanden fand, präsentierte sie ihren Vater als Zeugen für ihre Besserwisserei.
    Anders als bei seinen übrigen Frauen hatte er sich bei Lamia nie heimisch gefühlt, denn das große Haus mit dem prächtigen Garten in der Nähe des italienischen Krankenhauses war ein Geschenk ihres Vaters zur Hochzeit. Sie nannte es auch immer ungeniert »mein« und nicht »unser« Haus.
    Sie war eine Lusttöterin, die anfing zu gähnen, sobald man sie nur berührte. »Dein Körper ist nicht mit Haut, sondern mit Lichtschaltern bedeckt«, sagte er ihr einmal wütend im Bett, »sobald man dich berührt, gehst du aus.«
    »Schiefes Bild ohne Witz und Esprit«, sagte sie und gähnte gelangweilt. Sie war entsetzlich dürr, hatte eine flache Brust und war besessen vom Lesen. Nassri dagegen konnte mit Büchern nichts anfangen. Ihm genügte die Zeitung, damit er die Welt zum Kotzen fand.
    »Ein Sohn mit deiner Schönheit und ihrer Klugheit wäre ein Glück für den Clan. Er dürfte meinen Namen tragen«, sagte sein Vater beim Abschied in der Hochzeitsnacht.
    Es kam ganz anders. Sie bekamen sechs

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