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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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ich die Hand gebe«, prahlte er, »wenn sich ein Christ in meinen Friseursalon verirrt, muss der Geselle ran. Anschließend werden alle Scheren und Rasiermesser extra ausgekocht, damit der Geruch des unreinen Christen nicht daran haften bleibt.«
    »Du kannst Gift darauf nehmen, der Mann lebt in Angst«, sagte Sarah, »wenn die Fanatiker ihn erwischen, zerhacken sie ihn.«
    »Dann haben sie aber ziemlich viel Hackfleisch an dem Tag«, entfuhr es Salman, als er vor seinem inneren Auge den Muskelmann in einem Fleischwolf verschwinden sah, vor dem eine Runde der bärtigen Fanatiker stand, die damals in Damaskus gegen die Unmoral wetterten.
    »Und du wirst von Tag zu Tag dämlicher in diesem Café«, sagte Sarah angewidert. Sie aß ihr Leben lang kein Fleisch.
    Jahre später musste Salman zugeben, dass Sarah – lange vor seinem Chef – die erste war, die begriff, dass ihn die Arbeit im Café, trotz des guten Verdienstes, nicht weiterbrachte.
    Sarah verkündete ihr Urteil im Sommer 1952, Salman aber verließ das Café erst im Herbst 1955.
    Später, wenn er zurückdachte, erinnerte er sich nur noch schwach an die Jahre im Café, in seinem Gedächtnis überlebten nur Ereignisse, die sich um eine Person drehten: Sarah. Sie gab ihm weiterhin fast täglich Unterricht. Er musste nun Zusammenfassungen der Romane erstellen, die er gelesen hatte, und sie später auch kritisch kommentieren. Sie lehrte ihn Algebra, Geometrie, Biologie, Erdkunde, Physik und etwas Französisch, das sie selbst akzentfrei sprechen konnte.
    Sarah hatte ein glänzendes Abitur gemacht, unterrichtete kleine Kinder und studierte zwei Jahre an der pädagogischen Fakultät. Danach wurde sie Lehrerin für Mathematik und Französisch an einer Eliteschule. Sie war auch sehr gefragt als Privatlehrerin für die Kinder reicher Christen, aber sie nahm nur die Tochter des brasilianischen Konsuls an, gegen einen beachtlichen Stundenlohn. Mehr Schüler wollte sie nicht. Sie wollte viel lesen und ihren Lieblingsschüler Salman weiter begleiten.
    Später heiratete sie den Busfahrer, einen rundlichen Kerl mit Glatze, der sie über alle Maßen liebte. Und als ihre Cousine Leila stichelte, sie träume doch in Wahrheit von einem Schauspieler, der in ihrer Nähe wohne, und sie wolle sowieso nur heiraten, wenn die Liebe ihr Herz im Sturm erobere und in Brand setze, da war sie bei der allwissenden Sarah an der richtigen Stelle, kostenlos eine Belehrung zu bekommen: »Dann musst du einen Feuerwehrmann heiraten. Schauspieler sind auf der Leinwand Ritter und Herzensbrecher. Im Leben furzen sie und schnarchen, haben Pickel auf dem Arsch und Mundgeruch. Ich finde runde Männer äußerst attraktiv und vor allem humorvoll. Sie lachen vierzig Prozent mehr als dünne Männer. Und wenn in ihnen ein gutes Herz steckt, dann bin ich eine Königin.«
     
    Sarahs Hochzeit war ein Ereignis. Sie hatte auch Glück mit dem Wetter. Der Februar war trocken und so warm, als hätte er mit dem Mai getauscht. Sarahs Bräutigam stammte aus Homs. Er war Waise und deshalb war es ihm gleichgültig, wo die Hochzeit stattfand. Doch Sarahs Vater, der zu feiern wusste, wollte seine Tochter in Damaskus verheiraten. Am Eingang der Kirche bildeten zehn seiner Polizeikollegen der Tochter ein Ehrenspalier, durch das Sarah wie eine Prinzessin an den feierlich uniformierten Männern vorbei in die Kirche wandelte.
    Sieben Tage lang feierte der Gnadenhof die Hochzeit, als wären alle Bewohner Sarahs Verwandte. Salman überraschte am meisten der Einsatz von Samira und ihrem Sohn Adnan, der inzwischen verheiratet war, in der Judengasse wohnte und Taxi fuhr. Beide waren so hingebungsvoll, als hätten sie Sarah immer schon geliebt. Samira kochte für die Gäste und Adnan spielte den Laufburschen. Auch Salmans Mutter Mariam half nach Kräften. Und alle schmückten den Hof und spendeten Getränke. Auch Schimon war großzügig und lieferte kistenweise Gemüse und Obst.
    Der Bräutigam war selig. Er staunte sieben Tage lang, denn so etwas hatte er noch nie erlebt.
    Und wäre nicht eine Woche vor der Hochzeit Salmans Hund verschwunden, wäre auch Salman glücklich gewesen. Er hatte Knochen und Fleisch von einem nahe gelegenen Restaurant geschenkt bekommen und wollte sie Flieger bringen. Er fand jedoch nichts außer Blutstropfen und einem Büschel schwarzer Haare von seinem Hund. Was war passiert? Er hatte Sarah kein Wort von Fliegers Verschwinden erzählt, um ihr nicht die Vorfreude auf die Hochzeit zu verderben.
    Nach den

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