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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Einnahme der Medikamente seit langem wieder einmal ruhig. Salman aber wälzte sich im Bett und konnte nicht schlafen. Warum liebte sein Chef, der Geld und ein Haus besaß, keine Frau, sondern einen Mann? Und noch dazu einen, der nur aus Muskeln zu bestehen schien und nur mit seinem geölten Haar und seiner Figur beschäftigt war? Badri konnte sich nicht einmal richtig bewegen. Wenn er seine Kaffeetasse hob, sah das so steif aus, als würde die Tasse zehn Kilo wiegen.
    Als Salman seiner Freundin Sarah die Liebesszene im Schlafzimmer beschrieb, sagte diese: »Das Leben ist ein einziger Karneval. Der Muskelmann ist in seinem Herzen eine Frau, nur der Körper eines Mannes,den ihm Gott in der Eile gegeben hat.« Und da Salman sie mit verwirrtem Blick anglotzte, versuchte sie es ihm genauer zu erklären: »Das ist wie im Hammam, wenn dir der Bademeister die Kleider eines anderen Gastes aushändigt.« Sarah hielt kurz inne. »Auch Said ist im Herzen eine Frau«, sagte sie dann, »deshalb lieben ihn alle Männer.« Sie zeigte mit den Augen auf den schönen Waisen Said, der gerade von seiner Arbeit im Hammam gekommen war.
    »Gott«, fuhr Sarah fort, »hat einiges verwechselt. Kein Wunder bei den Milliarden Dingen, die er zu organisieren hat.«
    Sarah zählte ein Dutzend göttlicher Verwechslungen auf. Und Salman fühlte sich sehr klein neben ihr und bewunderte sie. Sie war unbegreiflich. Sie besuchte die Schule bei den Besancon-Nonnen und war dort die Klassenbeste. Er sah sie oft als Ärztin in Afrika oder als Helferin bei den Indianern. Und wenn er ihr das sagte, lachte sie: »Du bist ein Dummkopf. Indianer und Afrikaner kommen ohne mich aus. Ich will Lehrerin werden, heiraten und zwölf Kinder haben, und aus denen werde ich einen Metzger, einen Bäcker, einen Tischler, einen Schlosser, einen Friseur, einen Schuster, einen Schneider, einen Lehrer, einen Polizisten, einen Blumenverkäufer, einen Arzt und einen Apotheker machen, denn damit bin ich bis zum Ende meiner Tage abgesichert.«
    Tatsächlich wurde Sarah später eine der besten Lehrerinnen des Landes und heiratete nach einer stürmischen Liebesaffäre einen Busfahrer, der sie bis zum letzten Tag seines Lebens verehrte. Neben ihrem Beruf erzog sie zwölf Kinder zu tüchtigen Handwerkern, Lehrern und Händlern. Sogar eine Ärztin und eine Rechtsanwältin waren unter ihren Kindern, nur Metzger wollte keiner werden.
    Salman erfuhr damals auch, dass sein Chef an jenem Tag, als er von Flieger halbtot aus dem Fluss gerettet wurde, nicht wegen einer Frau, sondern wegen eines jungen Mannes verprügelt worden war. Er hatte den Jungen treffen wollen, doch statt seiner warteten dessen beide Brüder, die ihm auflauerten und ihn töten wollten.
    Auch Darwisch hatte eine lange Liebesbeziehung zu seinem Chef Karam gehabt, dann hatte sich dieser von ihm getrennt, erlaubte ihm jedoch, weiterhin im Café zu arbeiten. Darwisch aber liebte Karam immernoch und litt sehr unter der Trennung. Er war verheiratet, mochte aber seine Frau nicht. Dennoch zeugte er mit ihr sieben Kinder.
    Salman begann in jener Zeit ein wenig Sympathie für den Muskelmann Badri zu empfinden und hatte manchmal mit der Frau in dessen Innerem Mitleid, weil sie so viele Muskeln schleppen musste.
    Badri konnte Salman nicht nur mit einer Hand hochstemmen, sondern auch mit den Zähnen tragen. Dafür musste Salman sich auf den Boden legen und sich steif machen. Badri packte dann Salmans Gürtel mit den Zähnen und hob ihn hoch. Dabei schwoll sein Nacken zu einer gewaltigen Muskelpyramide mit fingerdicken Adern an.
    Badri kam öfter ins Café, aber Karam tat so, als würde er ihn nur oberflächlich kennen. Er ließ ihm die Getränke servieren und scherzte mit ihm, aber immer auf Distanz. Wer allerdings genau hinsah, erkannte, dass beide sich liebten. Darwisch konnte sehr genau beobachten, doch es irritierte ihn, dass der Mann nicht täglich kam, und dass er immer zahlte. Er vermutete daher, dass Karam eher dem Konditorgehilfen verfallen war, der dem Café täglich die kleinen Leckereien brachte, die man im Café neben kleinen Gerichten anbot. Karam scherzte oft vulgär mit dem beleibten Gehilfen, dem das Spiel zu gefallen schien, aber es blieb bei spaßigem Frotzeln, Kitzeln, Umarmen und Kneifen.
    Badri war ziemlich einfältig und fanatisch religiös, er verkörperte diese gefährliche Mischung aus Ignoranz und Gewissheit. Und nur weil Karam Salman mochte, gab der Muskelmann ihm die Hand. »Du bist der einzige Christ, dem

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