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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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ergrauten Haare einer anderen Generation anzugehören. Dunkle Ringe unter den Augen deuteten seine Erschöpfung an.
    Nassri hatte Taufiq von seinem Vater geerbt, der auf dem Totenbett gesagt haben soll: »Deine zwei Brüder haben Verstand und du hast Taufiq. Achte auf ihn, denn wenn er weggeht, gehst du unter.«
    Der alte Abbani, dessen Reichtum sprichwörtlich war, behielt bis zum Ende seinen scharfen Blick bei der Einschätzung von Menschen. Er war Fabrikant, Makler und Großgrundbesitzer. Man erzählte, dass jede zweite Aprikose, die ein Damaszener verzehrte, von seinen Feldern stammte und alle Aprikosenprodukte in der Hauptstadt aus seinen Fabriken kamen.
    Er war auch der größte Händler für Aprikosenkerne, die für die Herstellung von Persipan, Ölen und Aromastoffen sehr begehrt waren.
    Taufiq war mit fünfzehn als Laufbursche zu Abbani gekommen. Er war damals klein und fast verhungert, weshalb er von den Lagerarbeitern gehänselt wurde, die Jutesäcke mit Aprikosenkernen für den Transport füllten und zunähten. Doch der erfahrene Abbani erkannte in Taufiq nicht nur ein Rechengenie, sondern auch einen jungen Mann mit messerscharfem Urteil und mit Mut. Den hatte Taufiq einmal bewiesen, als er Abbani widersprach, was sonst niemand gewagt hatte.
    Damals war der alte Abbani wütend, und zwar auf sich, weil er sich ohne den Einspruch des blassen Jungen einer dummen Berechnung wegen ruiniert hätte. Als er sich beruhigt hatte, ging er in die Lagerhalle hinunter, um dem Jungen eine Lira als Belohnung zu geben. Doch Taufiq war nirgends zu sehen. Auf seine Frage erfuhr er, dass Mustafa, der Lagerhalter, den Jungen mit einem Stock windelweich geschlagen hatte, weil dieser den Chef vorlaut korrigiert hatte. Alle anderen, die den Fehler selbstverständlich auch bemerkt hatten, hattenaus Respekt den Mund gehalten. Als man Taufiq endlich fand und zum Chef brachte, sagte dieser: »Von heute an arbeiten wir zusammen, mein Junge. Und alle, die hier stehen, müssen dir Respekt entgegenbringen, denn ab heute bist du mein erster Sekretär.« Und den Umstehenden teilte er mit: »Wer ihn noch einmal auch nur böse anschaut, ist entlassen.«
    Einige Monate später hatte Taufiq bereits alle Rechenarten, das Prozentrechnen und das Erstellen von Tabellen im Kopf. Er beherrschte die raffiniertesten Tricks beim Stellen von Anträgen auf Zollfreiheit, eine Fähigkeit, die der alte Abbani in zehn Jahren nicht seinen zwei Buchhaltern beizubringen versucht hatte.
    Von nun an wurde Taufiq wie ein Sohn der Familie Abbani behandelt. Als er achtzehn wurde, vermittelte ihm sein Förderer eine günstige Ehe, eine jungverwitwete wohlhabende Frau aus dem Dorf Garamana südlich von Damaskus. Sie war eine gute Frau, und Taufiq lebte von nun an vergnügt. Für ihn war der alte Abbani eine Gottesgnade.
    Er wurde mit der Zeit wohlhabend, und seine Frau schenkte ihm drei Kinder. Er blieb bescheiden und sprach leise und respektvoll mit allen, sogar mit den Laufburschen. Aus Dankbarkeit seinem Retter gegenüber blieb er auch dem verzogenen Sohn treu, der sich mehr für die Unterwäsche der Frauen interessierte als für Zinsen und Bodenpreise. Bald wurde Taufiq der alleinige Herrscher eines kleinen Finanzimperiums. Mit den Jahren liebte er auch diesen Nassri, der ihm absolut vertraute und ihn nie wegen eines Fehlers tadelte. Anders als seine zwei knauserigen Brüder war Nassri großzügig. Er verstand zwar wenig vom Geschäft, aber viel vom Leben, und fühlte wie sein Vater nicht den geringsten Respekt den Mächtigen gegenüber, die er mit Genuss und Hingabe um den Finger wickelte.
    »Jedem gab Gott das seine«, sagte er sich und den anderen. Man könne von einem Box-Champion nicht auch noch verlangen, Ballett zu tanzen.
    Taufiq blieb seiner Methode treu, vor jedem Geschäftsabschluss Abbanis Zustimmung einzuholen. Der war stets einverstanden, denn von all den Geschäften mit Aprikosen und ihren unzähligen Produktenverstand er nichts. Auch hatte er kein Interesse an Grundstücken, die man verkaufte, um andere zu kaufen, weil angeblich in Kürze da, wo jetzt Granatapfelbäume, Oleander und Zuckerrohr wuchsen, das teuerste Viertel von Damaskus erbaut werden sollte. Und zwar deshalb, weil eine Botschaft ihren prächtigen Sitz in der Altstadt aufgab und genau dorthin ziehen wollte.
    »Tu, was du für richtig hältst«, sagte Nassri Abbani halbherzig. Und in zwei Jahren hatte sich der Bodenpreis verfünffacht.
    Und als Abbani, hocherfreut über den Gewinn,

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