Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
vierzig. »Das ist Charles Wayne. Er stammt aus gutem Hause, hatte wohl früher selbst mal Geld, hat dann aber alles verloren. Und mit seiner ersten Frau Luisa hat er eine Tochter, Patricia, die Dame dort in unserem Alter, die so auffällig verknallt meinem Cousin zuwinkt. Seine erste Frau, eine Adison, wollte sich, so munkelt man, von ihm scheiden lassen, als seine Familie nicht mehr standesgemäß erschien und er zu allem Überfluss ständig fremdgegangen sein soll, aber sie ist vorher gestorben. So wurde er Erbe ihres Vermögens, aber in der feinen Gesellschaft spielt er erst wieder mit, seit er mit Nora eine verdammt gute Partie gemacht hat.«
»Du redest zu viel, Cousinchen«, spottete James. »Jedenfalls ist die junge kesse Dame Patricia Wayne, die Tochter von Luisa und Charles. Ein verwöhntes Ding, aber hübsch«, ergänzte er.
Anne stieß ihm unsanft ihren Arm in die Rippen. »Man schwärmt in der Gegenwart seiner Angebeteten nicht von anderen Frauen«, tadelte sie ihn flüsternd.
Antonia aber besaß gute Ohren. »Erstens bin ich nicht seine Angebetete, und zweitens, soll er doch schwärmen, von wem er will«, knurrte sie mit einem verstohlenen Blick auf Patricia Wayne. Obwohl sie noch kein Wort mit der jungen Dame gewechselt hatte, stand ihr Urteil fest: Sie konnte sie nicht leiden! Vielleicht lag es daran, dass sie ein ganz ähnlicher Typ Frau war wie sie selbst. Jedenfalls besaßen sie dieselbe Nase. Aber diese Patricia hatte die dunklen Locken ihres Vaters geerbt. Ein stattlicher Mann, auch für sein Alter noch, ging es Antonia durch den Kopf, als Charles Wayne bereits auf sie zutrat.
Er begrüßte hastig Anne und James, bevor er charmant lächelnd flötete: »Und wer ist diese ausgesprochen entzückende junge Dame, und warum habt ihr sie mir bislang vorenthalten?«
Ich traue seiner Freundlichkeit nicht, dachte Antonia.
»Ganz einfach, lieber Charles, weil Sie sie eigentlich erst auf unserer Verlobung kennenlernen sollten«, entgegnete James ungerührt und legte Antonia den Arm um die Schultern.
Antonia wusste nicht, wie ihr geschah, doch trotz ihrer Verwirrung beobachtete sie, wie sich das Gesicht des eben noch breit lächelnden Mister Wayne im Nu verfinsterte.
»Sie gedenken also diese junge Dame zu heiraten, James?«, fragte er lauernd.
»Wen gedenkt James zu heiraten?«, mischte sich Patricia neugierig ein, die währenddessen hinzugekommen war und sich dicht neben ihren Angebeteten stellte.
»Diese junge Dame, deren Namen wir nicht kennen«, erwiderte Charles Wayne spitz.
»Wie bitte?«, rutschte es Patricia empört heraus, und sie rückte gleich ein Stück von James ab. Sie schien jetzt erst wahrzunehmen, dass James Antonia im Arm hielt. Feindselig starrte sie ihre Konkurrentin an.
Antonia kämpfte mit sich. Er hätte sie fragen müssen, ob sie seine Frau werden wolle; doch die Vorstellung, ihn bald zu heiraten, hüllte sie in eine wohlige Wolke. Ich werde ihm meine Meinung sagen, wenn wir unter vier Augen sind, nahm sie sich fest vor, doch erst einmal setzte sie ihr strahlendstes Lächeln auf.
Patricia funkelte sie zornig an. »Dann kann ich Ihnen ja nur herzlich gratulieren. Wenn Sie mir denn mal Ihren Namen verraten würden«, schnaubte sie.
»Antonia, ich heiße Antonia«, zwitscherte Antonia mit liebreizender Stimme, und sie streckte der jungen Frau versöhnlich die Hand entgegen. Die Enttäuschung stand der eben noch kecken jungen Lady deutlich ins Gesicht geschrieben. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich ernsthafte Hoffnungen auf James gemacht hatte.
Patricia aber ignorierte die freundliche Geste ihrer Konkurrentin und zischelte: »Dann gratuliere ich recht herzlich zu diesem Fang, Antonia«, und rauschte zornig von dannen. Charles folgte ihr sichtlich irritiert.
»Da hast du aber eine Feindin fürs Leben gewonnen«, sagte Anne kichernd.
»Das schreckt mich nicht«, entgegnete Antonia betont forsch. »Und du hättest mich wenigstens vorher fragen können«, fügte sie an James gewandt hinzu.
»Nein, das hätte ich nicht, denn wenn ich nicht für klare Verhältnisse gesorgt hätte, wäre mir Patricia wohl den ganzen Abend nicht von der Seite gewichen.«
»Aber warum? Hast du ihr jemals Hoffnungen gemacht? Wolltest du sie womöglich heiraten?«
»Ich habe zumindest mit dem Gedanken gespielt«, erwiderte er mit ernster Miene. »Bis gestern jedenfalls.«
Antonia blickte ihn fassungslos an.
»Ja, wäre es besser, ich würde dich belügen und dir erzählen, ich hätte
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