Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
»Sie sind so gut zu mir. Es ist ein entzückendes Stück. Der edelste Schmuck, den ich je bekommen habe.«
»Wirklich eine hübsche Brosche«, hörte sie nun wie von ferne James sagen. Hastig wischte sie sich mit dem einen roten Handschuh, die sie passend zum Kleid trug, die Tränen von den Wangen.
Sie erwartete eine seiner spöttischen Bemerkungen, weil sie sich wie ein kleines Mädchen gebärdete, aber stattdessen legte James wie selbstverständlich den Arm um sie und raunte: »Nicht weinen, ich verspreche dir, es wird alles gut.«
Nun kamen auch Mister Medlicott und Anne herbeigeeilt.
Antonia sah die beiden plötzlich in einem ganz anderen Licht, als sie es noch vor zehn Minuten getan hätte. Diese Umarmung hatte alles verändert. Seine Worte wirkten wie ein Zauber, der alles wunderschön erscheinen ließ. Sie hätte die ganze Welt umarmen können. Die Freundin sah in ihrem grünen Seidenkleid reizend aus, und auch der gemütliche Mister Medlicott wurde in seinem festlichen Gehrock zu einer stattlichen Figur. Von James in seinem vornehmen Anzug ganz zu schweigen. Als er ihren Arm nahm und sie zur Kutsche führte, wusste sie, dass sie diesen Mann und keinen anderen heiraten wollte. Sie war nicht dafür geschaffen, als einsame und unnahbare Herrin von Otahuna ihr Leben zu fristen. Nein, sie wollte eine Familie, und sie sehnte sich in James Arme.
Die Fahrt zur Henson-Villa erlebte sie wie im Rausch. James saß dicht neben ihr. Ihre Körper berührten sich, und heiße Schauer durchfuhren sie. Auch Anne schien den Zauber der Liebe zu bemerken, denn sie drückte verstohlen Antonias Hand zum Zeichen des geheimen Einverständnisses.
An seinem Arm betrat Antonia schließlich den neuen Festsaal der Villa. Dafür, dass sie noch nie zuvor eine solche Gesellschaft besucht hatte, fühlte sie sich erstaunlich sicher. Sie schob das auf James, der ihr mit seiner Anwesenheit das Selbstbewusstsein gab, das sie brauchte. Doch auch als er sich schließlich kurz entschuldigte, um ein paar entfernte Verwandte zu begrüßen, war sie keineswegs verunsichert. Sie fühlte sich wie in einem Märchen und konnte sich nicht sattsehen: an den vielen festlich gekleideten Menschen, dem prächtigen Saal, den riesigen Lüstern und ihrem Spiegelbild, aus dem ihr eine Prinzessin entgegensah.
Kaum dass sie allein war, kam Anne herbeigeeilt und flüsterte: »Ihr hättet ja beinahe die Kutsche in Brand gesetzt. So habe ich meinen Cousin noch nie erlebt. Und es ist doch wohl Ehrensache, dass ich deine Brautjungfer werde.«
Antonia fühlte sich ertappt und wies den Gedanken an eine mögliche Hochzeit der Freundin gegenüber weit von sich. So vehement, dass Anne das mit einem breiten Grinsen zur Kenntnis nahm.
»Ich sollte mich wohl ranhalten, wenn ich mit dir Schritt halten will, aber noch sehe ich keinen jungen Herrn, der mir gefallen könnte.«
Antonia lachte. »Sag mir lieber, was das alles für Leute sind. Ich kenne keinen von ihnen. Das ist also die Dunediner Gesellschaft. Wer ist die Frau dort, die wie eine Ente watschelt?«
Anne kicherte: »Das ist meine Cousine Gloria, und der Riese an ihrer Seite ist ihr Verlobter, Mister Harald Wilkens. Er ist auch nicht gerade ein Bild von einem Mann, oder?«
Antonia schämte sich plötzlich dafür, dass sie so hässlich über die Gastgeber sprach. »Aber sie sehen sehr glücklich aus«, seufzte sie.
»Ja, ich glaube, sie sind wirklich furchtbar glücklich miteinander«, bestätigte Anne den Eindruck ihrer Freundin.
»Das vermute ich auch«, mischte sich nun James ein, der das Geplänkel der beiden mit angehört hatte. Dann wandte er sich grinsend an Antonia. »Was möchtest du noch wissen? Wer die junge kokette Lady ist, die immerfort zu uns herüberstarrt?«
»Nein, das will ich gar nicht wissen«, erwiderte Antonia trotzig, als sie sich vergewissert hatte, dass jene hübsche Frau sie tatsächlich mit ihren Blicken aufzufressen schien. »Kennst du die?«, fragte sie spitz.
»Natürlich. Sie ist die Tochter vom Schwager des Bräutigams.«
»Ach James«, fuhr Anne ungeduldig dazwischen, »wenn du schon die Verwandtschaftsverhältnisse erklären willst, dann aber richtig. So kann das doch nichts werden. Also hör zu, Toni. Der Bräutigam hat eine Schwester, Nora. Und Nora Wilkens ist auch sehr, sehr reich, denn sie hat nach dem Tod des Vaters die Hälfte des Vermögens geerbt. Die reiche Erbin hat dann den da geheiratet.« Anne deutete auf einen hochgewachsenen, gut aussehenden Mann um die
Weitere Kostenlose Bücher