Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
nach dem Nachnamen, ich hab ihn vergessen. Etwas mit A ... Al, Al ...«
»Almond?«, fragte Grace bang.
»Pah, was weiß ich, kann sein. Meinetwegen auch Almond. Jedenfalls nannte sie sich bei den ersten Anrufen so. Dann änderte sie ihre Namen, aber sie hat eine markante Stimme. Die kann sie nicht verstellen. Schickt diese Person, diese Almond, Sie?«
Grace bemühte sich, ihre Aufregung zu verbergen.
»Nein, ich weiß nicht, von wem Sie reden«, log sie und hoffte, dass sie nicht rot wurde.
»Egal, ich habe der Dame klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass Moira auf Nimmerwiedersehen mit dieser Frau fort ist. Und dass sie mir keine Adresse hinterlassen hat. Und dass sie mich nicht noch einmal belästigen soll. Sonst hole ich die Polizei.«
»Bitte, Misses Barclay, mir geht es in erster Linie um diese andere Frau. Es kann sein, dass es sich bei ihr um meine leibliche Mutter handelt. Ich bin nämlich adoptiert worden, und nun suche ich meine Eltern. Es wäre also nett von Ihnen, wenn Sie mir helfen würden.«
M. Barclay zögerte. »Ja, nun kommen Sie schon rein«, knurrte sie schließlich. »Aber das heißt nicht, dass ich etwas weiß. Moira hat aus dieser Frau ein großes Geheimnis gemacht und auch, wohin sie mit ihr gegangen ist. Bevor sie diese Brieffreundschaft begonnen hat, haben wir uns alles erzählt.« Die Bitterkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Sie führte Grace durch einen dunklen holzvertäfelten Flur in ein geräumiges Wohnzimmer. »Setzen Sie sich. Möchten Sie Tee?«
»Machen Sie sich keine Mühe«, beeilte sich Grace zu sagen.
»Mühe haben Sie mir schon gemacht, als ich Sie ins Haus gelassen habe. Also Tee, oder wie wäre es mit einem Bier?«
Grace trank selten Bier, aber jetzt kam ihr das Angebot gerade recht, um etwas lockerer zu werden.
»Ja, ich nehme ein Bier.«
Die Frau griff in einen Kühlschrank und hielt bereits zwei Flaschen in der Hand, die sie mit einem Öffner, der an der Kühlschranktür baumelte, geschickt öffnete.
Sie scheint öfter Bier zu trinken, dachte Grace, und das passt auch zu ihrem burschikosen Auftreten.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte sie, während sie der Dame zuprostete.
»Maureen.«
»Prost, Maureen, ich bin Grace.«
»Okay, Grace, dann haben Sie bestimmt nichts dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Bilder von meiner Schwester und mir zeige, oder?«
»Nein, ganz und gar nicht«, entgegnete Grace artig.
Und schon schlug Maureen ein Fotoalbum auf, das zwei blonde, jungenhaft wirkende Mädchen zeigte, die wie ein Ei dem anderen glichen.
»Zwillinge?«
»Ja, wir waren unzertrennlich. Haben immer hier zusammengelebt, nie geheiratet, bis Moira eine Brieffreundschaft mit dieser Frau begonnen hat.« Wieder klang ihre Stimme bitter wie Galle.
»Lebte die andere ...« - Grace schluckte trocken. Sollte sie vielleicht sagen: die andere, die vielleicht meine leibliche Mutter ist? - »... ich meine, wohnte die andere Frau denn nicht in Neuseeland? Weil sie von Brieffreundschaft sprechen.«
»Das ist doch das Mysteriöse. Meine Schwester hat geschwiegen wie ein Grab. Und auch die Briefe, die postlagernd auf dem Postamt eingingen, hat sie stets vor mir verborgen. Einmal habe ich einen Blick auf den Umschlag erhaschen können, und stellen Sie sich vor, der Brief kam aus Dunedin. Eine Brieffreundschaft in einer Stadt. Das beweist doch, wie verrückt die ganze Sache ist. Jedenfalls war meine Schwester besessen von dieser Person. Sie war ja kaum mehr wiederzuerkennen. Und immer, wenn ich sie gefragt habe, was es mit dieser Person auf sich hat, hat sie behauptet, das könne sie mir nicht verraten. Ich würde sie sowieso nicht verstehen. Irgendwann habe ich dann geschwiegen, und wir haben uns voneinander entfernt ...«
»Und wie lange ist das jetzt her?«, unterbrach Grace sie aufgeregt.
»Das mit dem Schreiben fing vor über fünfundzwanzig Jahren an, und eines Tages, vor ungefähr zwanzig Jahren, war Maureen einfach weg. Bei Nacht und Nebel hat sie sich fortgeschlichen. Hat mir einen Brief hinterlassen, in dem sie mir versichert hat, sie könne nicht anders, sie müsse sich um diese Frau kümmern. Es sei ihre ganz große Liebe.«
»Ihre große Liebe?« Grace blieb vor lauter Erstaunen der Mund offen stehen. »Sie meinen, meine Mutter und Ihre Schwester waren ein Liebespaar?«
»Was weiß ich. Sah für mich jedenfalls so aus. Und für Männer hat sich Moira ohnehin nie interessiert. Jedenfalls hat mir diese Frau meine Schwester genommen. Und das
Weitere Kostenlose Bücher