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Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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deren Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Ich ziehe mich jetzt, solange Mutter schläft, in mein Zimmer zurück, um einen Brief zu schreiben. Kannst du diesen heute Nacht um zehn James Henson übergeben?«
    »Aber wo ... ich meine, wie ...«
    »Und bitte, frag mich nichts. Er wird um zehn Uhr unter meinem Fenster stehen, und du wirst ihm nur den Brief aushändigen. Hast du gehört? Vertrau mir.«
    Mit diesen Worten sprang Antonia auf und eilte in ihr Zimmer. Sie wollte nicht, dass Harata Zeugin wurde, wie ihr die Tränen wie Sturzbäche aus den Augen rannen. Die Maori würde sie durchschauen und wissen, wem diese Trauer galt. Es war nicht ihre Mutter, um die sie weinte, sondern James Henson. Sie würde nicht viele Worte machen, nur so viele: Ich kann nicht mit dir gehen und auch nicht deine Frau werden. Leb wohl, und finde dein Glück woanders. Es war ein schöner Traum, aber viel zu kurz. In meinem Herzen wirst du immer einen Platz haben.
    Während sie diese Worte schließlich aufschrieb, tropften unaufhörlich salzige Tränen auf das Papier, die alles sofort wieder verschmierten. Sie brauchte drei Anläufe, bis sie den Abschiedsbrief an James leserlich zu Papier gebracht hatte. Es wollte ihr das Herz zerreißen, aber sollte sie riskieren, ihre Mutter mit dieser Flucht ins kühle Grab zu bringen? Nein, sie konnte ihr Glück doch nie und nimmer auf Selmas Tod bauen ...



Dunedin, Anfang April 2009

 
    Nachdenklich saß Grace am Fenster ihres Zimmers und ließ den Blick wie so oft über den Garten schweifen. Immer wieder gab es etwas zu entdecken. Heute war es ein taubenähnlicher Vogel, der allerdings viel gedrungener und dafür um einiges langschwänziger war als sein entfernter Verwandter in Europa. An diesem sonnigen Sonntag, an dem sie ausnahmsweise nicht an ihrem gemeinsamen Buch schrieben, hatte Suzan gleich nach dem Frühstück, wie versprochen, die Geschichte von Selma und Antonia weitererzählt.
    Inzwischen wusste Grace allerdings nicht, ob sie eine Fortsetzung der Geschichte wirklich noch hören wollte. Es war ganz merkwürdig, aber jetzt, wo es um Antonia ging, konnte sie das Ganze nicht mehr so distanziert sehen wie zuvor. Im Gegenteil, sie fühlte sich emotional völlig in deren Schicksal hineingezogen. Sie litt mit Antonia, und Selmas Verhalten machte sie regelrecht wütend. Und je mehr sie sich darüber ärgerte, wie hartnäckig Selma Antonia die Identität ihres leiblichen Vaters verschwieg, desto weniger ließ sich das eigene Problem verdrängen. Langsam konnte sie die Augen nämlich nicht mehr davor verschließen, dass in ihrem Körper etwas vor sich ging. Noch hoffte sie, dass sich ihre Monatsblutung nur ein wenig verspätet hatte. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, womöglich schwanger zu sein. Schwanger von einem Mann, den sie nicht mehr liebte und mit dem sie kein Kind wollte. Doch wenn es tatsächlich so wäre, durfte Barry das niemals erfahren. Grace stutzte. Dann würde ich mich ebenso schuldig machen wie Selma Antonia gegenüber, schoss es ihr durch den Kopf. Mit aller Macht versuchte sie, den Gedanken zu verdrängen und sich auf die Frage nach ihrer eigenen Herkunft zu konzentrieren. Wie oft hatte sie sich in den letzten Tagen den Kopf darüber zerbrochen, wie sie nun, nachdem der Hinweis auf Moira Barclay ihr keine Hilfe gewesen war, dem Verbleib ihrer Mutter auf die Spur kommen konnte.
    Sollte sie es noch einmal bei Ethan versuchen? Aber das schien ihr keine gute Idee. Wahrscheinlich würde er sie nur weiter belügen.
    Sollte sie Suzan löchern, was sie alles über Deborah Albee wusste? Doch würde das nicht dem Versprechen zuwiderlaufen, das sie sich von der Professorin hatte geben lassen? Und an das Suzan sich eisern hielt? Sie hatte die leidige Geschichte mit keinem Wort mehr erwähnt. Im Gegenteil, sie verhielt sich geradezu gleichgültig ihrem Privatleben gegenüber. Was zählte, war nur noch das gemeinsame Buch, auf das sie sich mit Feuereifer gestürzt hatte. Suzan schrieb gerade das Vorwort, aber sie wollte es Grace erst zeigen, wenn sie ihr die Geschichte von Antonia zu Ende erzählt hatte, weil sie auf deren Märchen Bezug nahm. So jedenfalls begründete sie ihre Geheimniskrämerei.
    Es ist doch merkwürdig, sinnierte Grace, jetzt, wo in mir das Bedürfnis wächst, herauszufinden, wo meine Wurzeln sind, zieht sich Suzan von mir zurück. Dabei hat sie das Ganze doch ins Rollen gebracht. Und ich kann mir nicht helfen. Ich nehme ihr nicht ab, dass allein die Neugier, was aus

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